Glücklich, wer die Leidenschaft vor dem Ehrgeiz gekannt hat. – Blaise Pascal
Trans Europe Footrace
4.488km in 64 Tagen, 560:43:19h
19.4.-21.6.2009, Bari (I) - Nordkap (NOR)
Vorwort
Ich hatte ja keine Ahnung, wie groß dieser Kontinent ist. Natürlich habe ich mir die Karten angesehen, aber kann man sich – daheim auf dem Sofa – 4.500km Europa vorstellen? 560 Stunden Laufen? Tagesetappen von bis zu 95km? Oder etwa 82km bei 4°C und gefühlten Windgeschwindigkeiten von 90km/h?
Ich konnte es nicht, und: Ich kann es immer noch nicht. Obwohl ich mittendrin UND dabei war, beim TransEurope Footrace 2009 (TEFR) von Bari ans Nordkap. 4.487,7km in 64 Tagen. Zu Fuß, ohne Ruhetag und ständig mit der Frage im Hinterkopf, warum ich das eigentlich mache.
Dieses Thema möchte ich gleich zu Beginn gerne schließen: So, wie es beim Laufen keine Wunder gibt, so gibt es auch bei einer Kontinentaldurchquerung keine Erleuchtung und keinen Geistesblitz, nach dem man auf einmal den Sinn hinter einer solchen Unternehmung erkennt.
Der Finne Janne Kankaansyrjä hat es auf den Punkt gebracht: Auf die Frage eines Bekannten, welche Erleuchtung ihm denn beim TEFR 2003 von Lissabon nach Moskau widerfahren sei, antwortete er: „Nothing. I’m the same stupid person than before!“
Wie ich mittlerweile (wieder) weiß, ändert sich auch die Welt während eines solchen Abenteuers nicht; auch wenn man sich das unterwegs ab und zu mal vorstellt. Auch hier ein Zitat, diesmal aus dem Film ‚Wächter der Nacht’: „Warum ist alles so anders?“ „Keine Panik. Alles ist so wie vorher. Nur du nicht.“
Diesen Bericht schreibt also ein anderer Tom als der, der am 17. April 2009 am Münchner Flughafen ein Flugzeug in Richtung Bari bestiegen hat. Zusammen mit einem Haufen anderer Verrückter, die wohl nichts besseres zu tun haben, als zwei Monate lang jeden Tag durchschnittlich 70km durch Italien, Österreich, Deutschland, Schweden, Finnland und Norwegen zu joggen, in Turnhallen zu schlafen, zu hoffen, dass die Entzündungen, die sie sich beim Laufen geholt haben, durchs Laufen wieder verschwinden, und, und, und. Aber auch mit dem gleichen Haufen gleicher Verrückter, die einen Traum haben. Die in dieser Zeit, in der vieles berechnet, abgesichert, bequem und begründet sein muss, etwas offensichtlich Sinnloses und fast Unmögliches versuchen. Warum also durch Europa laufen? Weil es da ist?!
Vorbereitung
„Wie viel hast Du in der letzten Zeit trainiert?“ Ich weiß nicht, wie oft ich in den Wochen vor dem Lauf diese Frage gehört habe. Lauffreunde, Nichtläufer, Journalisten, Ärzte… Irgendwie schien sich jeder für mein Trainingspensum zu interessieren. Angesichts der (behaupteten) Trainingsumfänge anderer Teilnehmer, die teilweise von mehr als 10.000km in den letzten zwölf Monaten berichteten, packte mich hier regelmäßig das schlechte Gewissen. Nun, wo alles gut verlaufen ist, kann ich’s ja rauslassen: Ich bin im Jahr vor dem TEFR 2.764,1km gelaufen. Macht pro Monat 230km und pro Woche 53km. So.
Warum ich es trotzdem geschafft habe? Abgesehen von der nötigen Portion Glück habe ich es meiner Meinung nach auch geschafft, weil ich es im Training nicht übertrieben habe, weil ich nicht gelaufen bin als ich erkältet war, weil ich nur gelaufen bin wenn ich Lust dazu hatte und vor allem, weil ich mich schon immer tierisch auf den Lauf gefreut habe. Den für mich gültigen Beweis habe ich im August 2008 erbracht, als ich mit noch weniger Training, dafür aber mit noch mehr Lächeln und sehr entspannt 1.150km durch Frankreich gelaufen bin. So wie in Frankreich, so sollte es beim TEFR auch werden: Wie Urlaub. Leiden konnten von mir aus andere, ich wollte meinen Spaß. Wisst Ihr noch? „Glücklich, wer die Leidenschaft vor dem Ehrgeiz gekannt hat.“ Dass ich höchstwahrscheinlich nicht so beißen kann wie andere ist mir egal. Mir ist’s lieber, wenn ich gar nicht erst beißen muss.
Als ich auf der 30. Etappe in Bienenbüttel ankam, fragte mich Ingo, der Organisator und Direktor unseres Wanderzirkus, in seiner unnachahmlichen Art: „Sag mal, was hast Du eigentlich den ganzen Tag gemacht?“ „Ich bin dir aus dem Weg gegangen, damit ich dein hässliches Gesicht nicht sehen muss“, war meine Antwort. „Ich will hier leidende Läufer sehen, die durchs Ziel kriechen!“ erwiderte er. „Dann musst du dir andere Teilnehmer suchen.“ Meinem Vater, der daneben stand, blieb nach dieser Unterhaltung noch eine Zeit lang der Mund offen stehen. Ist halt doch ein anderer Ton, beim TEFR.
Die Zeit unmittelbar vor dem Abenteuer war, im Nachhinein gesehen, auch eher unspektakulär, was ich in erster Linie meinem Umfeld zu verdanken habe, das mich vor, während und nach dem Lauf immer fantastisch unterstützt hat. So war der Urlaubsantrag über 15 Tage Urlaub und 35 Tage Überzeit kein Problem, da mir mein Chef Manfred den Urlaub so genehmigte, wie wir das ein Jahr vorher vereinbart hatten. Meine Kollegen Dieter und Alex haben mich in der Arbeit hervorragend vertreten. Meine Familie stand immer hinter mir, genauso wie viele Freunde und Bekannte. Ich weiß nicht, wie ich das Ganze gepackt hätte, wenn es hier Vorbehalte, Kritik oder sogar Widerstände gegeben hätte.
Der Start
Angekommen in Bari haben wir nach einer rasanten Busfahrt durch die enge Altstadt die Halle recht schnell gefunden. Großes Händeschütteln, versuchte Coolness und eine gewaltige Portion Vorfreude und Nervosität, so würde ich die Stimmung hier beschreiben. So warteten wir alle gespannt auf den Start und ich war froh, dass es nun endlich losging.
Jetzt, da die Sache vorbei ist, merke ich auch, was mich im Vorfeld am meisten belastet hat: Ich kann mich nicht erinnern, mich schon einmal so bewusst und intensiv auf etwas vorbereitet zu haben wie auf den TEFR. Und noch dazu so lange: Ganze zweieinhalb Jahre spukte mir das Ding im Kopf herum und war bei jeder Entscheidung präsent. Ob bei der Urlaubsplanung, den Projekten in der Arbeit oder bei sonst was: Immer gab es nur die Zeit vor und nach dem TEFR und alles hat sich irgendwie daran ausgerichtet. Jetzt kann ich wieder machen, was ich will: Ich genieße es, beim schönsten Wetter vor dem Fernseher zu liegen und nicht mal ans Laufen zu denken. Ich genieße es, hemmungslos alle Termine in der Arbeit zuzusagen, weil ja keine größere Abwesenheit mehr bevorsteht. So sehr ich während des Laufes meine Freiheit und Unabhängigkeit genossen habe, so wenig frei war ich wohl vorher. Leidenschaft eben.
Bella Italia
„Eines ist sicher“, verschaffte Klaus Neumann sich Luft, „an der italienisch-österreichischen Grenze drehe ich mich noch einmal um und dann war’s das für die nächsten 100 Jahre. Dann will ich von dem Drecksitalien nichts mehr wissen!“ Bedrückt und in den Boden starrend saß Hermann Böhm neben ihm und kommentierte knapp: „Ich drehe mich nicht mehr um.“ Das war in der Sakristei von Alberone, nach 85km mit teils heftigem Regen, bei für Italien zu kaltem Wetter und nach vielen, vielen Autofahrern, die hemmungslos durch die Pfützen rasten und uns dadurch von oben bis unten nass spritzten.
Was war los im Land von pasta, dolce vita und tifosi? War’s wirklich so schlimm? Oder waren vielleicht nur die Erwartungen vorher sehr hoch und nun die Angst da, dass es so bleiben oder gar noch schlimmer werden könnte? Ich gebe zu: Organisatorisch waren die Italiener offensichtlich überfordert; das zeigte der Versuch eines Pizzabäckers, 100 hungrige Läufer und Betreuer zufrieden zu stellen, indem er gemütlich eine Pizza nach der anderen ausrollte und in den (einzigen!) Ofen schob. Wie wir das gewohnt waren, stellten wir uns brav an, erhielten am anderen Ende der ca. 30m langen Schlange ein kleines Stückchen Pizza, aßen dies auf dem Weg zurück ans Ende der Schlange auf und stellten uns wieder an (vorausgesetzt, wir konnten noch stehen, ohne dass Knie oder Kreislauf etwas dagegen hatten.)
Ärgerlich waren auch diverse Schikanen der örtlichen Polizei. Offensichtlich war dem ein oder anderen Polizisten (oder auch beiden) in der Vorsaison noch sehr langweilig, sodass sie uns Läufer von einer Straßenseite auf die nächste und anschl. wieder zurück leiteten, Betreuer samt ihrem Verpflegungstand durch die Stadt jagten und sonstige sinnlose Dinge trieben.
Schlimmer war’s aber im Vorfeld, wie uns unser Streckenerkunder, -markierer und -dekorierer Joachim Barthelmann und seine Frau Brigitte berichteten. So wusste so mancher Bürgermeister trotz Vor-Ort-Besuch und vieler, vieler Mails und Telefonate plötzlich nichts mehr von uns, Termine wurden eher leger behandelt und wenn es dann was zu essen gab, war’s teuer als sonst wo.
Aber rückblickend war’s eigentlich gar nicht so schlimm für mich: Ich erinnere mich an lange Kilometer entlang menschenleerer Strandpromenaden, Bergdörfer, wunderschöne Sonnenaufgänge und an die Erkenntnis, dass ich wohl auch nicht schlechter Nudeln kochen kann als viele Italiener ;-)
Mehr zu kämpfen hatte ich da schon mit meinen Achillessehnen: Ich war einer der ersten, der mit bandagierten Sprunggelenken rumlief und staunte nicht schlecht, als ich in unserem mobilen Magnetresonanztomographen (MRT) meine fast doppelt so dicken Unterschenkel sah.
Aber auch diese Verletzung stellte sich bald als versteckter Vorteil heraus: So wurde ich gleich zu Beginn zu einem sehr vorsichtigen Läufer, der seine Grenzen aufgezeigt bekam und bald dankbar war, wenn er einfach nur locker und ohne Schmerzen laufen konnte. Und außerdem hatte ich so die Möglichkeit, gemeinsam mit einen fantastischen Menschen zu laufen und einen Freund zu finden. Joachim Hauser heißt er, und wenn ich mich auch sonst mit dem Begriff „Vorbild“ sehr schwer tue, so zögere ich keinen Moment, ihn so zu nennen.
Joachim wird seit 15 Jahren von MS geplagt, was ihm das Laufen sehr erschwert. Die Auswirkungen gehen bei Schmerzen und Taubheitsgefühlen los und enden damit, dass er unterwegs immer wieder stürzt, weil seine Beine nicht das machen, was er ihnen sagt. „Deine Beine hätte ich gerne!“, rief er mir zu, als ich zu Beginn mal über schmerzende Knie klagte.
Dass es Joachim trotz aller Hindernisse bis zum Nordkap geschafft hat, freut mich so sehr wie mein eigenes Finish, und sollte ich in Zukunft mal Gefahr laufen, wegen was auch immer in Selbstmitleid zu versinken, so werde ich mich sicherlich immer an ihn und die Art, wie er sein hartes Schicksal erträgt, erinnern.
Gemeinsam machten Joachim und ich auf der 9. Etappe nach Bellaria auch ein kleines Experiment: Die Frage war, was wohl passiert, wenn man aus welchen Gründen auch immer nicht mehr laufen kann und den großen Teil einer Etappe marschieren muss. Also beschlossen wir nach ca. 50km, die restlichen 25km ausschließlich zu gehen. Wir waren weit genug vor dem Zeitlimit, sodass eigentlich nichts passieren konnte. Und es passierte auch nichts: Abgesehen davon, dass uns ein stürmischer Wind vom Meer her manches Mal fast umblies und unsere Haut sandstrahlte, ging alles gut und wir kamen halbwegs entspannt und mit konstanter Geschwindigkeit ins Ziel. Unterwegs war sogar noch Zeit für einen Espresso, denn beim Gehen kroch die Müdigkeit in unsere Knochen.
Diese Etappe gab mir für den Rest des Laufes ein sehr gutes Gefühl, denn jedes Mal, wenn es nicht so rund lief war mir bewusst, dass man nicht laufen muss, um eine Etappe erfolgreich zu absolvieren.
Überhaupt habe ich in den zwei Monaten drei Kernfaktoren für ein erfolgreiches Finish „identifiziert“: Schlafen, Essen und ruhig bleiben. Laufen gehört aus meiner Sicht nur am Rande dazu; Robert Wimmer hat das mit seiner „Dritteltheorie“ bestätigt: Für ihn besteht dieser Lauf zu einem Drittel aus Laufen, zu einem Drittel aus „Verletzungsmanagement“ und zu einem Drittel aus Lagerleben.
Einen 24h-Lauf mit über 200km oder eine Spitzenzeit bei einem 100km-Lauf sind sicherlich Sachen, die einer erfolgreichen Teilnahme am TEFR nicht entgegenstehen, und doch hilft dir so etwas überhaupt nicht weiter, wenn du nach einem langen verregneten Tag mit entzündeten Unterschenkeln deinen Platz in einer viel zu kleinen Halle suchst, anschließend kalt duschen gehst, nicht weißt, wo du bei dem Regenwetter deine Klamotten zum Trocknen aufhängen sollst und danach noch hungrig auf einer kühlen Terrasse sitzt und auf halbherzig gekochte Nudeln wartest. Wenn du dann endlich im Schlafsack liegst und hoffst, dass du den nächsten Tag überleben wirst, wunderst du dich die ganze Nacht lang darüber, dass der Läufer neben dir trotz seiner infernalischen Schnarcherei überhaupt schlafen kann… Herzlich willkommen beim TEFR!
Die Berge
Mein Wunsch, dass die Entzündungen an den Achillessehnen rechtzeitig vor den Alpen vorbei sein würden ging Gott sei Dank in Erfüllung und so konnte ich mich wieder halbwegs locker und zuversichtlich den Bergen nähern und auf dem Weg nach San Michele bei Bozen eine wunderschöne und fast mühelose Etappe absolvieren. Als mir unser Sani Jan, der japanische Betreuer Shiro und der Betreuer und „gute Hirte“ Uli am letzten Verpflegungsstand der Etappe noch zum 1000. Kilometer gratulierten, war mein Glück perfekt. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich mich heute auch nur eine Sekunde angestrengt habe!“, strahlte ich und genoss die sonnige Aussicht über den Kalterer See.
Die Strecke war wie immer hervorragend markiert, nur unsere Aufmerksamkeit hatte etwas nachgelassen und so passierte mir hier mein erster und einziger „Verhauer“: Nachdem wir in den letzten Tagen stundenlang am Etschtalradweg entlang gelaufen waren, verließen wir diesen, um nicht den Weg über Bozen nach S. Michele zu nehmen, sondern die landschaftlich sehr reizvolle Variante über den Kalterer See. Ich hab’s noch genau vor Augen: Der Radweg führte an einem Rastplatz mit vielen Radfahrern zur Straße hoch, folgte dieser rechts hinab, bog dann wieder links ab, unter einer Unterführung hindurch und verzweigte sich an einer Kreuzung in vier Richtungen. Und dass es an dieser Kreuzung keinerlei Klebe- oder Kreidepfeile gab, stimmte mich sofort skeptisch. Ich suchte noch etwas und beschloss kein Risiko einzugehen, sondern sofort umzudrehen und zur letzten Markierung zurückzulaufen. Und siehe da: Die deutliche Markierung mit mehreren Klebepfeilen links hinauf hatte ich übersehen. Ich war froh, dass ich so schnell reagiert hatte und folgte aufmerksam und beruhigt der weiteren Strecke.
„Eigentlich hätte es uns klar sein müssen, dass wir falsch waren“, konstatierte Klaus Wanner am selben Abend. „Da kam ja kilometerlang kein einziger Pfeil mehr. Aber uns hat es gereicht, dass wir noch auf dem Radweg waren!“ Nur als er dann mit Jenni de Grot und Ubel Dijk auf einmal mitten Bozen stand und auch hier keine Pfeile zu sehen waren, wurde den dreien klar, dass das nicht stimmen konnte. Noch viel schlimmer traf es Hermann Böhm: Auch er hatte schon den Verdacht, auf dem Holzweg zu sein und wollte daher auf seiner detaillierten Streckenbeschreibung nachsehen, die wir jeden Abend bekamen. Genau in diesem Moment erkundigten sich einige Radfahrer bei ihm nach der Veranstaltung. Wie so oft erklärte er ihnen, was wir hier taten und nutzte die Gelegenheit gleich, um zu fragen, ob denn vor ihm wohl schon andere Läufer hier gewesen seien. Die Radler bejahten dies und ohne zu wissen, dass es sich dabei genau um Jenni, Ubel und Klaus handelte, joggte Hermann ahnungslos weiter in die falsche Richtung.
Ich habe selten jemanden so fluchen hören wie Hermann an diesem Abend und bis ich schauen konnte, lag er schon in seinem Schlafsack und versuchte wohl, einen Haken hinter diesen Tag zu machen. Auch das ist eine für den TEFR wichtige „Kernkompetenz“: Tage so zu akzeptieren, wie sie sind und am nächsten Tag in alter Frische wieder an den Start zu gehen, ohne sich von den Problemen der vergangenen Tage beeindrucken zu lassen.
So machte sich Hermann wie wir alle in den nächsten Tagen daran, die Alpen zu durchqueren; quadratkilometergroße Apfelplantagen („Wer soll denn die alle essen?!“), schneebedeckte Gipfel und teilweise stahlblauer Himmel begleiteten uns dabei.
Bis auf den heftigen und kalten Gegenwind war der Reschenpass erstaunlich unspektakulär und oben wartete eine Überraschung auf mich: Meine Eltern waren gekommen, um mich die nächsten drei Tage zu begleiten, und ich freute mich tierisch, sie hier zu sehen. Auch sie waren sichtlich erleichtert, dass ich noch nicht auf dem Zahnfleisch ging und offensichtlich auch meinen Spaß hatte.
An unserem Etappenziel Pfunds gingen wir noch gemeinsam zum Kaffeetrinken und so kam bei mir sogar so etwas Urlaubsatmosphäre auf. Auch am nächsten Tag, von Pfunds nach Nassereith, trafen wir uns einige Male an der Strecke (wobei der hier zu bewältigende Alpenpass Pillerhöhe nicht zu unterschätzen war!) und schließlich wieder im Ziel. Das Wetter hatte sich bis dahin nach einem eher trüben Tag deutlich gebessert und so saßen wir auch an diesem Tag wieder bei Kaffee und Kuchen, diesmal allerdings in der Sonne und an einem malerischen See zwischen den Bergen.
Zur Feier des Tages – er hatte Geburtstag – spendierte mein Vater der gesamten Mannschaft noch 100 Dosen Bier, was vor allem auf Seiten der japanischen Teilnehmer für viel Anerkennung sorgte. Das hatte mich auch immer wieder in Staunen versetzt: Ich trank ja mit meist zwei Dosen Bier am Abend auch deutlich mehr als im „normalen Leben“, aber die Mengen Alkohol, die die Japaner vertilgten, war erstaunlich. Auf der Fähre von Kiel nach Göteborg luden sie ihre Taschen mit Bier und Wein voll und bei vielen von ihnen bestand die erste Amtshandlung nach jedem Zieleinlauf darin, erstmal eine Dose „Öl“ zu leeren. Von dem schwedischen „Lettöl“, also Leichtbier, das meist 3,5% Alkohol enthielt, war ich schwer begeistert: Es schmeckte gut und man konnte an heißen Tagen auch mal eine Dose etwas schneller trinken, ohne gleich die Orientierung zu verlieren.
„Die Läufer verbrauchen am Tag ca. 10.000kcal“, erzählte einer, der wirklich von nichts eine Ahnung hatte, den Journalisten. Ich wusste nicht, ob ich grinsen oder ihm eine reinhauen sollte. Doch dazu später mehr, jetzt erst mal zum Thema Essen. Was also braucht man so, wenn man tagtäglich ca. 9h läuft und das zwei Monate lang? Zunächst mal ist das eine hochindividuelle Angelegenheit. Wie ich schon länger weiß, gehöre ich nicht zu den großen Essern unter den Läufern. Was andere so vertilgen, hat mir schon oft die Sprache verschlagen und bei meinen bisherigen Etappenläufen musste ich immer darauf achten, ja genug zu essen, auch wenn der Appetit so manches Mal auf sich warten ließ. Erst beim Transe Gaule 2008 habe ich ein Mittel gegen meine Appetitlosigkeit entdeckt, und das heißt schlichtweg „Bier“!
Der Tag begann mit einem ausgiebigen Frühstück, wobei ich immer einer der ersten am Buffet war, denn mit vollem Magen kann ich einfach nicht laufen. Semmeln mit Marmelade, Wurst und Käse, Cornflakes oder Müsli (in Schweden auch gerne Haferbrei), Saft, Milch, Kaffee, Obst, manchmal sogar Eier, Gurken und Tomaten. Damit schafften wir die Grundlage für einen langen Tag auf der Straße. Unterwegs gab es in Summe 438 Verpflegungspunkte (VP), ca. alle 10km. Diese waren nicht nur zum Essen und Trinken da, sondern dienten auch dazu, sich den Tag einzuteilen und zum „Durchhangeln“ bei langen Etappen. Nicht zu letzt halfen uns die dortigen Betreuer moralisch, wenn es mal nicht so gut lief und ich war an jedem der VP froh um die tolle Hilfsbereitschaft und die freundlichen Gespräche.
Zu essen gab es an den VP je nach landestypischem Angebot verschiedene Getränke (Wasser, Eistee, A- und O-Saft, Cola,…) und jede Menge Leckereien, wie z.B. Wurst- und Käsebrot, verschiedene Kuchen, Kekse und Schokolade, Gummibärchen und Lakritz, Salzstangen, Obst und, und, und. An einem VP bekamen wir sogar täglich eine warme Suppe, quasi als Mittagessen.
Getrunken habe ich an jedem VP 1-2 Becher und dazwischen jeweils ca. 0,5l aus meiner Trinkflasche. Macht unterwegs 4 bis 4,5l. Ich erinnere mich an eine sehr lange und noch viel heißere Etappe in Schweden, bei der es ca. 9l waren. Meine 0,8l-Trinkflasche reichte hier gerade so von VP zu VP.
Mein „Zielsnack“ bestand meist aus einer Dose Bier mit einer Tafel Schokolade und einer halben Packung Chips. Diese Zwischenmahlzeit habe ich über die Wochen hinweg fast zu einem Ritual entwickelt und wenn ich geduscht und mit eingecremten Füßen auf meiner Matte lag gab es nichts schöneres, als sich bei guter Musik aus dem mp3-Player erstmal damit vollzustopfen.
Als Abschluss gab es dann noch ein Abendessen; meist Nudeln oder Lasagne, aber auch Rentier- und Elchbraten oder andere deftige Hausmannskost. Wenn man dieses Essen noch mit einer weiteren Dose Bier flankierte, stellte sich auch die nötige Bettschwere ein, um gegen 20h im Schlafsack zu verschwinden und sich auf die wohlverdiente Nacht zu freuen. Besonders lecker war natürlich der Kasten „Hetzelsdorfer Bier“, den mir meine Schwester Eva mit ihrem Michael bei ihrem Besuch in Schillingsfürst mitbrachten. Dass der Kasten quasi verdampfte, obwohl wir ihn nur kurz unbeaufsichtigt ließen, zeigt, dass das Bier der Brauerei Penning-Zeißler den Geschmack der Ultraszene trifft!
Wie schon gesagt half mir das Bier, den Magen zu beruhigen und so überhaupt erst essen zu können. Dennoch hatte ich manchmal Schwierigkeiten, ausreichend zu essen und habe letztlich 10kg abgenommen: Ich startete mit 79kg, verlor recht schnell 4kg und habe mich dann lange Zeit bei ca. 73kg eingependelt. Erst als es zum Schluss deutlich kälter wurde, die Etappen dafür länger und mein Appetit kleiner, ging’s noch mal deutlich runter. Als ich mich daheim wieder auf die Waage stellte, waren’s nur noch 69,5kg.
So sah ich daheim zwar deutlich schlanker aus, aber immer noch wesentlich stabiler als so manch anderer Läufer. Die Körperfettwaage, die das Ärzteteam dabei hatte, zeigte bei einigen Läufern immer genau 5,0% an; wie sich bald herausstellte, war dies der niedrigste Wert, den die Waage anzeigen konnte! So mancher Läufer dürfte noch ein, zwei Prozent darunter gelegen haben. Da stand ich mit meinen 7-8% noch recht gut im Futter!
Die Ärzte
„Wir müssen die Bücher neu schreiben!“, stellte Uwe Schütz, der Leiter der wissenschaftlichen Studie der Universitätsklinik Ulm fest, als ich ihm meine schlanken Waden zeigte. Noch vor Kurzem sah man dort nichts mehr von Knöcheln und Achillessehnen, so geschwollen waren beide Unterschenkel; jetzt, vier Tage und rd. 280km später, zeichneten sich schon wieder die Adern ab.
Die Vorgeschichte der Studie begann bereits im September 2008, als Uwe einige Teilnehmer des Einstein-Marathons in Ulm mittels MRT untersuchte. Mehr als Witz entstand dabei die Idee, Teilnehmer von Etappenläufen über eine lange Zeit hinweg zu beobachten und verschiedene Vorgänge im Körper zu untersuchen. Die bisherigen Studien endeten von einzelnen Ausnahmen abgesehen bei der klassischen Marathondistanz. Der Schweizer Beat Knechtle hatte beim Isar- und Deutschlandlauf schon ein paar erste Versuche unternommen, aber so aussagefähig wie eine MRT-Untersuchung waren diese nicht.
Ernst wurde es im Februar 2009, als Uwe die Zusage für €200.000 von der DFG (Deutsche Forschungsgesellschaft) bekam. Zuvor hatte es eine Absage gegeben, erst der Innovationsausschuss der DFG hatte den Zuschuss bewilligt. Es musste dann alles ganz schnell gehen: Festlegung der Untersuchungen, 2 Monate Miete und Versicherung eines mobilen MRT sowie der erforderlichen Zugmaschine (das Gerät steht auf einem 40to-Auflieger), Beschaffung des erforderlichen Materials, Anwerben der Probanden und Durchführung der Voruntersuchungen… „Die Nächte werden kürzer“, stellten Uwe und sein Kollege Christian Billich fest, als wir uns Anfang April in der Uniklinik trafen.
Mit der Assistentin Heike Wiedelbach und dem Dokotoranden Martin Erhardt brach das Team am Ostermontag von Ulm Richtung Bari auf. Im „Gepäck“ wie gesagt ein mobiles MRT, jede Menge Messequipment, abertausende von Bechern, Röhrchen und Spritzen für Urin- und Blutproben sowie die gespannte Frage, wie denn alles so ablaufen wird. Die größten Risikofaktoren dabei waren wohl die empfindliche MRT-Technik sowie die Läufer, die alles über sich ergehen lassen sollten.
Gleich mal vorneweg: Auch wenn es noch keine fundierten Ergebnisse gibt (die Auswertung des erhobenen Datenbergs ist immer noch im Gange), so war der erste Schritt ein voller Erfolg. Da alle Probanden brav durchhielten und viele Läufer bis zum Schluss dabei waren gibt es nun statt der erhofften 400 MRT-Untersuchungen 700 Aufnahmen und des Weiteren ca. 5.000 Urinproben, jede Menge Blutproben und noch mehr Ruhe-EKGs.
Was also kam auf uns Läufer tatsächlich zu? Wie gesagt gab es noch in Ulm eine Voruntersuchung, bei der ein kompletter Scan des Körpers durchgeführt wurde und drei Untersuchungen zum Thema Schmerzempfindlichkeit erfolgten. Dabei zeichnete sich schon ab, dass wir Läufer wohl deutlich mehr abkönnen als Otto Normalsportler; so liegt offensichtlich die Schmerzschwelle bei uns sehr hoch und die Fähigkeit, sich an einen konstanten Schmerz zu gewöhnen noch höher. Wer schon einen Etappenlauf hinter sich hat, kann das sicherlich bestätigen; es war aber über die eigene subjektive Einschätzung hinaus sehr interessant, das einmal objektiv vorgeführt zu bekommen und unsere Werte mit Probanden zu vergleichen, die keinen Hang zu wochenlanger Dauerbelastung haben.
Vor dem Start in Bari gab’s dann noch ein Ruhe-EKG, eine Blutprobe und eine Vermessung mit Körperfettwaage, Hautfaltenzange, Maßband, Thermometer und Blutdruckmessgerät.
Unterwegs fanden wir zweimal täglich Becher für Urinproben bei den WCs vor und alle 3-5 Tage unsere Namen auf zwei Tafeln. Dann hieß es entweder antreten zur MRT-Untersuchung oder aber zur Körpervermessung. Diese startete schon morgens mit der Körperfettwaage, die auch Angaben zu Muskelmasse und Wasseranteil des Körpers machte, sowie einem kurzen Fiebermessen. Abends kamen dann noch zusätzlich Blutdruckmessgerät, Hautfaltenzange und Maßband zum Einsatz.
In meinem Fall – die Probanden wurden von den Ärzten in verschiedene Gruppen eingeteilt, damit sich der zeitliche Aufwand in Grenzen hielt – waren bei der MRT-Untersuchung entweder die Beinmuskulatur, die Knie, der Kopf oder das Herz dran. Muskeln, Kopf und Knie waren recht beliebt, denn hier konnte man gut gebettet und bei guter Musik im Ohr ein Nickerchen einlegen. Schwieriger war’s beim Herz, denn hier kamen statt Queen oder Leonard Cohen Atembefehle aus dem Kopfhörer. Das war anfangs noch ganz lustig, aber nach 10-15min regungslosem Liegen war die Müdigkeit so groß, dass ich nach der Aufforderung „Einatmen – Ausatmen – und nicht mehr atmen“ sofort in Sekundenschlaf verfiel. Wenn ich dann aufschreckte, wusste ich nicht, ob ich atmen darf oder nicht und so machten wir so manche Aufnahme mehrfach, weil mir der Schlaf immer wieder einen Streich spielte.
Martin bewunderte ich jeden Morgen auf’s Neue, wenn er stets gut gelaunt und freundlich auf gerade erwachte Läufer zuging und sie um ein paar Minuten für die Vermessung bat. Man darf sich das nicht zu einfach vorstellen: Die Zeit frühmorgens ist ohnehin nicht die kommunikativste (er startete um 3:45h mit seinen Untersuchungen!) und für manchen Läufer bedeutet eine Störung am Morgen ein schweres Vergehen.
So ist es der freundlichen und diplomatischen Art des Ärzteteams zu verdanken, dass alle Läufer bis zum Schluss dabei blieben und somit die erste und wichtigste Stufe der Studie erfolgreich verlaufen ist. Auch die Technik hat bis auf einzelne Aussetzer gut mitgespielt, was angesichts der Hightech-Anlage mitsamt dem Drumherum nicht selbstverständlich war.
Nun freuen wir uns auf die aufgenommenen Daten und die Erkenntnisse aus den Auswertungen, an denen neben der Uni Ulm noch weitere Hochschulen beteiligt sind. Die ersten Reaktionen auf die Studie haben gezeigt, dass das Interesse in der Medizin hoch ist und vielleicht kommen wir ja nun der Frage näher, wie solch eine körperliche Leistung überhaupt möglich ist.
Medizin unterwegs
Sicherlich braucht der Körper einiges an Unterstützung, um die hohe Belastung während des TEFR zu überstehen. Das geht los bei der richtigen Ernährung und Erholung, aber auch bei der Behandlung diverser Wunden und Verletzungen. Mit normalen Blasen und ausgefallenen Zehennägeln kommen wir Läufer wohl alleine zu Recht; schwieriger wird’s dann natürlich, wenn der ein oder andere Läufer mehr Blasen als gesunde Haut am Fuß hat oder sich eine gestandene Nagelbettentzündung entwickelt.
Hier hatten wir vor allem in Jan Straub eine unbezahlbare Hilfe. Jan ist hauptberuflich Rettungssanitäter und war bereits bei mehreren Deutschlandläufen dabei. Ihm graut vor nichts und er hat wohl schon alles gesehen, so gut gelaunt, wie er sich allabendlich und jeden Morgen den teilweise entstellten Füßen seiner Schützlinge widmete.
Er wusste von Anfang an, dass es mein Ziel war, mich nie in seine Behandlung zu begeben bzw. begeben zu müssen und das hat auch bis auf eine Tablette gegen höllisches Sodbrennen zu Beginn geklappt. Geholfen hat er mir unterwegs jedoch permanent und unglaublich viel, denn er war ein immer gut gelaunter und freundlicher Gesprächspartner, der mir mehr seelischen als physischen Beistand leistete. Unvergessen unser Ausflug zu McDonalds in Kristinehamn – eine meiner Sternstunden beim TEFR!! Vielen Dank für Dein tolles Engagement, Jan! Ohne Dich wär’s nur halb so schön gewesen.
Ansonsten hab ich mir über die zwei Monate hinweg selbst geholfen, sei es durch die permanente Pflege meiner Füße mit Fußcreme und Selbstmassage, oder die Behandlung meiner Entzündungen mit Retterspitz, Voltarengel und Ruta C200 oder aber durch die Massage meiner Beine mit Arnica-Öl.
Mit meinem verspannten Nacken war ich zweimal bei Ramona, der Frau von Joachim Hauser. Sie war als Betreuerin dabei und hat uns jeden Morgen am ersten VP mit Getränken und Zuspruch in den Tag geholfen. Ihre ruhige Natur und ihre Art, diffuse Stimmungslagen auf den Punkt zu bringen haben mir oft weitergeholfen und immer, wenn ich ihren roten VW-Bus sah wusste ich: Die ersten 10km sind geschafft und ich komme vorwärts. Abends stand Ramona dann uns Läufern als Physiotherapeutin und Heilpraktikerin zur Verfügung und hat so mache Verspannung und Entzündung mit geübten Griffen gebessert. Einige Läufer hatten täglich ihren Termin auf der Massageliege und auch ich genoss die manchmal schmerzhafte aber immer hilfreiche Behandlung. Dir auch vielen Dank, Ramona!
Wie schon angesprochen kam ich beim TEFR nie in eine gravierende Notlage und so auch nie in die Versuchung, Schmerzmittel zu nehmen. Als „Notration“ hatte ich Voltarentabletten und Cortisonsalbe dabei – beides habe ich ungeöffnet wieder mit nach Hause gebracht und beides werde ich nach den Erlebnissen nun entsorgen. Denn oft scheinen mir Schmerzmittel schlimmer zu sein als die Verletzung selbst. So konnte ich manches Mal beobachten, wie ein Läufer nach einer Schmerztablette wieder volle Fahrt aufnahm und so die Verletzung oder Entzündung sicherlich noch verschlimmerte, denn die war ja nicht behoben, nur eben der Schmerz unterdrückt.
Hinzu kommt, dass Voltaren und Co. den Magen massiv angreifen und bei so manchem Läufer konnte man eine klassische Verletzungskarriere vom Humpeln über Salbenverbände, Tapes, starke Magenprobleme bis schließlich hin zum Ausstieg beobachten.
Ähnlich ging’s bei den sog. Meditapes, farbigen Klebestreifen, die, wenn sie richtig angewendet werden, Beschwerden deutlich lindern können. So sah man so manches Bein, manchen Arm und mache Schulter bunt beklebt und die Patienten offensichtlich zufrieden. Nur gab es bei den Tapes die gleichen Probleme wie bei Schmerzmitteln, nämlich die Linderung der Symptome, nicht aber der Ursache. Zwar blieben den Läufern bei dieser Therapie Magen- und sonstige Beschwerden erspart, aber die Versuchung, trotz Verletzung Gas zu geben war dennoch zu groß.
Tragische Beispiele dafür gab es leider mehr als genug. Viele haben über Wochen hinweg mit und gegen ihre Verletzungen gekämpft und sicher mehr geleistet als so mancher schnellere Läufer. Zuletzt waren jedoch die Schmerzen so groß, dass sie entkräftet und ohne Hoffnung auf Besserung aufgeben mussten. Zwei Läufer haben sich sogar Belastungsbrüche in Schienbein bzw. Hüftbogen zugezogen, weil die Muskulatur die Belastung nicht mehr abfangen konnte und die Knochen selbst schließlich nachgegeben haben.
So scheint es nur ein wirksames Mittel gegen bzw. bei Verletzungen zu geben, und das heißt, von Anfang an weit unter seinen Möglichkeiten zu bleiben und immer wieder das Tempo zurückzuschrauben. Das erinnert mich wieder an das Thema Training; paradoxer Weise scheint viel Training manchmal sogar verletzungsfördernd zu sein, denn das Tempo wird dadurch höher und wenn die Muskeln zuvor einen höheren Trainingseffekt erfahren haben als Knochen, Sehnen und Bänder, wird’s kritisch.
So ist die Schlussfolgerung so einfach wie fies: Wer Schmerzen hat und einfach nur noch in die Halle will, um sich zu erholen und auszuruhen, verschlimmert durch ein höheres Tempo die Sache wahrscheinlich noch. Die richtige Therapie bedeutet, langsam und immer langsamer unterwegs zu sein und die Verletzung möglichst unterwegs wegzugehen. Meine eigenen Erfahrungen beim Deutschlandlauf, Transe Gaule und TEFR bestätigen dies. Für den Kopf und die Motivation bedeutet das jedoch mit die größte Herausforderung.
„Ihr seid alle VIEL ZU SCHNELL!“, war also die genau richtige Ansage von Jan, als ich am ersten Tag die 57km in gut 6 Stunden runterschrubbte. Obwohl es offensichtlich war und ich diese Geschwindigkeit später nie wieder erreichte, fiel es mir schwer, einzusehen, dass er recht hatte. Als meine Unterschenkel ein paar Tage später zogen und anschwollen, hab ich’s dann auch kapiert…
Good Ol’ Germany
Krieg. Es war der reinste Krieg und ich wusste nicht, ob ich die LKW-Karawane am Fernpass überleben würde. Hoch ging es noch einigermaßen, aber ich hatte was den Verkehr anging noch nie so viel Angst und Stress wie auf dem Weg hinunter. Neben der körperlichen Anstrengung hatte mich diese Strecke vor allem im Kopf so beansprucht, dass ich den ganzen Tag nicht mehr in den Rhythmus kam.
Ich kannte das vom Transe Gaule: Hier bin ich eines Tages auf dem Weg zum Start über einen Rinnstein gestolpert und auf den Rasen gefallen. Obwohl ich mir nicht wehgetan hatte, war meine Konzentration weg und ich den ganzen Tag durch den Wind. Lustiger Weise (zumindest jetzt im Nachhinein ist es lustig, unterwegs eher lästig) wirkt sich dieser Mangel an Konzentration auch auf alles Mögliche andere aus: So fingen am Fernpass wie auch in Frankreich meine Socken zu rutschen an, ich hatte permanent Steine im Schuh, der Trinkgürtel oder -rucksack rutschte permanent irgendwohin und der Spaß blieb dabei auf der Strecke. So konnte ich die Etappe durchs malerische Allgäu nach Seeg leider nur wenig genießen. Zu guter Letzt bekam ich noch Schwierigkeiten mit der Verdauung und war daher froh, dass ich nach 69km im Etappenziel ankam. Wichtigste Aufgabe: Haken machen und sich auf morgen und den Rest Deutschlands freuen!
Weiter als bis Kiel dachte ich zu dieser Zeit NOCH nicht, denn mein Motto war: ‚Denk nicht an Schweden, aber denk daran: Schweden kommt noch!’
Und so freute ich mich auf eine weitere Deutschlanddurchquerung nach meiner erfolgreichen Teilnahme am DL2006. Mit rd. 1.040km war diese jetzt etwas kürzer, denn wir liefen nicht diagonal von Nordost nach Südwest, sondern senkrecht von Süd nach Nord durch unser Land. Respekt hatten wir allerdings vor den Etappen 21 bis 23, denn hier standen gleich dreimal hintereinander mehr als 80km auf dem Programm. Versüßt wurde mir vor allem die 21. Etappe von Pfaffenhausen nach Nattheim mit vielen, vielen netten Besuchern: Walter, ein Lauffreund aus Ulm mit Begleitung, Sarah, meine Schwester Moni, Diana, Kathrin, Caro, Viktoria, Martina, Lars, Johannes und Dieter aus der Arbeit, Nadine und Tobias aus Mehring, Gabi und Peter aus der Pfalz, einen unbekannten Fan aus Ulm...
Ich wollte gar nicht mehr weiter, so sehr hat mich der Besuch gefreut und noch heute denke ich oft an die netten Begegnungen und die Unterstützung unterwegs. Vielen Dank Euch allen!!
Die Eindrücke, die mir von Deutschland am stärksten geblieben sind, sind: Kleine Hallen und das Niemandsland der Rhön. Dort besuchte mich mein Vater wieder und auf die Frage, wo wir denn eigentlich seien wusste auch er keine Antwort, obwohl er doch sonst fast jeden Flecken in Deutschland kennt.
Was die Hallen angeht, so habe ich mich als Deutscher schon manchmal fast geschämt, dass wir als „Quasi-Gastgeberland“ keine besseren Unterkünfte bieten konnten. Schließlich war die gesamte Organisation deutsch und auch über ein Drittel der Läufer deutsche! Wenn man sich im Vergleich dazu das Engagement so mancher schwedischer Gemeinde ansah, wird’s mir heute noch schwindelig. So lagen wir in so mancher Halle fast übereinander und einmal bin ich sogar ins Zelt ausgewichen.
Das bedeutete natürlich Öl ins Feuer für unsere Profinörgler, die wir wie bei jedem Etappenlauf dabei hatten. Wie schon beschrieben gibt es sicherlich Situationen, in denen auch ich mich über das ein oder andere ärgere und diesem Ärger auch Luft mache. Für mich unverständlich aber ist das Gemeckere über Gegebenheiten, die an sich keine Überraschung oder aber aus meiner Sicht völlig diskussionsunwürdig sind: So hört für mich die Welt nicht auf, wenn es bei einem Frühstück mal keine Marmelade gibt – vor allem, wenn man an einem reich gedeckten Tisch sitzt. Auch die Beschwerden darüber, dass die jeweilige Etappe 1km (!) länger gewesen sei als in der Streckenbeschreibung angegeben kann ich nicht nachvollziehen. Hier musste vor allem Joachim viel einstecken, denn es gab einige Läufer mit GPS, für die so etwas anscheinend ein großes Problem war. Ich habe mich so manches Mal gefragt, wo diejenigen die Energie für die Nörgelei hernahmen; aufgefallen ist mir, dass es an langen Tagen wohl wenig zu meckern gab ;-)
Chef Ingo
Ausbaden durfte das alles unser Chef Ingo Schulze, dem ich an dieser Stelle das allergrößte Kompliment für diese Veranstaltung und seine professionelle Organisation aussprechen möchte. Ich habe mir unterwegs oft gewünscht, dass ich meine Projekte in der Arbeit auch so meistern könnte wie er diesen Lauf. Nicht, dass meine Projekte schief gehen würden oder nicht erfolgreich wären, aber unter den Rahmenbedingungen, die Ingo hat, wäre das vielleicht anders.
Da ist zunächst die immense Verantwortung, die er zu tragen hat: 68 Teilnehmer, fast 20 Betreuer, die Ansprechpartner in den Etappenzielen vor Ort, Polizei, Presse etc.: Alles schaut auf Ingo; vor allem, wenn’s nicht klappt. Er könnte niemals sagen: ‚Ich hab’ kein Bock mehr und steige aus’, denn das gesamte Unternehmen hängt alleine an ihm. Zwei Monate lang diesen Druck auszuhalten, ist sicherlich alles andere als einfach.
Dazu kommt, dass es diesen Lauf auf dieser Strecke noch nie gegeben hat und jeder Tag für Ingo und sein Team eine neue Herausforderung bedeutete und letztlich auch die eine oder andere Überraschung bereithielt.
Um nicht alles auf seinen Schultern zu haben und die Aufgaben aufzuteilen, hatte Ingo ja einen Partner für den TEFR, nämlich Karl-Heinz Neff. Nun weiß ich ehrlich gesagt recht wenig über Karl-Heinz und habe ihn persönlich kaum kennen gelernt, was mich zugleich aber auch nicht stört. Denn sein Auftreten und seine Art, bei offensichtlich völliger Ahnungslosigkeit so zu tun, als wüsste er, worum es geht, sowie seine Art mit den Läufern umzugehen haben mich schnell angewidert. So tat Ingo gut daran, ihn recht bald zur Abstimmung an den kommenden Etappenzielen vorneweg zu schicken, denn die Stimmung zwischen Karl-Heinz, den Betreuern und den Läufern eskalierte so manches Mal.
Für mich ist das Ganze völlig unverständlich; ich kenne kaum jemanden, der so eine gute Menschenkenntnis hat wie Ingo und es hat mich sehr verwundert, dass er sich auf die Partnerschaft mit Karl-Heinz (die beiden haben zur Durchführung des TEFR eine GbR gegründet) eingelassen hat. Ich habe unterwegs aus sicherer Quelle Geschichten über Karl-Heinz erfahren, die ihn als Geschäftspartner, als Sportsmann und schließlich als Mensch völlig disqualifizieren. Dass er noch unterwegs aus der GbR ausgestiegen ist, bestätigt diese Einschätzung. Nur hatte Ingo nun neben diesem Durcheinander und der menschlichen Enttäuschung wieder die gesamte Organisation am Hals…
Am meisten genervt haben mich die ständigen Vorwürfe einzelner Unverbesserlicher, Ingo würde aus diesem Unternehmen ausschließlich Geld schlagen wollen. Dazu nur drei Punkte: Keiner derjenigen, die sich hier ereifert haben, wusste auch nur annähernd, wie viel eine Halle pro Nacht kostet. Keiner derjenigen wusste, wie viele Autos an Bord sind, was diese an Sprit verbrauchen und wie viel die Mietwagen kosten. Ganz zu schweigen vom Essen und allen anderen Ausgaben sowie der Tatsache, dass es in Schweden, dem Land mit der besten Trinkwasserqualität nun mal kein stilles Wasser zu kaufen gibt und man sich das zwangsläufig aus dem Hahn holen muss (wie bei den meisten anderen Marathons übrigens auch). Und zu guter Letzt: Wenn sich einer über Monate hinweg reinhängt und eine solche Unternehmung startet, mit viel Herzblut Zeit und Nerven investiert und solche immensen unternehmerischen und rechtlichen Risiken eingeht, dann darf er nicht nur, sondern muss aus meiner Sicht sogar dafür entlohnt werden. Sonst wäre das alles andere als fair und er selbst schlichtweg blöd.
Und blöd ist er nicht, der Ingo! Das zeigte er immer wieder, nicht zuletzt auch durch seine sehr spezielle Art, in die Mannschaft „hinein zu hören“: Mit Sprüchen wie „Du lachst auch nicht mehr lange, das schwör ich dir!“, „Weiß deine Mutter eigentlich, dass du hier bist?!“ oder auch einem einfachen „Hau bloß ab…!“ fühlte er immer direkt auf den Zahn und konnte so recht schnell herausfinden, wer wie drauf war und wie die Stimmungslage in der gesamten Mannschaft gerade war.
Ingo, ich danke Dir an dieser Stelle dafür, dass Du es uns ermöglicht hast, diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Du weißt, dass all die, die etwas auszusetzen hatten, vielleicht noch nie einen Kindergeburtstag organisiert haben und an dieser Aktion gnadenlos gescheitert wären – wahrscheinlich noch bevor sie überhaupt losgegangen wäre. Ohne einen mutigen und schlitzohrigen Idealisten wie Dich gäbe es diesen Sport nicht, keine 68 Starter in Bari und schon gar keine 45 zufriedene Finisher am Nordkap. Danke!!
Die Betreuer
Dass der Lauf ein Erfolg geworden ist, hängt aber natürlich nicht an Ingo alleine, sondern auch an seinem tollen Team von Betreuern und Freiwilligen, als da wären:
Inge Schulze, Ingos Frau und Chefin – sah man leider selten lächeln, kümmerte sich aber rührend um diejenigen, die noch unterwegs waren und das Abendessen verpassten. Außerdem unterstütze Inge Helmut beim Einkaufen und sorgte dafür, dass der Tross die Hallen anständig verließ.
Joachim Barthelmann – nimmersatter Radfahrer, der sich auch bei Sturm und Regen auf’s Fahrrad schwang und die Strecke so markierte, dass sie eigentlich jeder finden musste. Hat die Strecke gemeinsam mit seiner Frau bereits im Vorfeld erkundet und akribisch dokumentiert und schaffte es immer wieder, Abkürzungen und schönere Varianten einzubauen. Als ihm in Schweden langweilig wurde (dort gab’s nur eine Straße!), hat er angefangen, die Strecke mit Rentierknochen zu dekorieren.
Brigitte Barthelmann – Joachims bessere Hälfte, die uns meist am 2. VP zusammen mit Marianne spitze versorgte und sich auch das ein oder andere Mal darum kümmerte, dass wir nicht zu lange Rast machten und vorwärts kamen.
Helmut Schieke – „The World’s Greatest Handler“ war für die Bestückung der VP mit Essen und Getränken sowie die Leergutentsorgung zuständig. Im Ziel einer der wichtigsten Leute, unter anderem deswegen, weil er hier auch einen Bierhandel betrieb. Auf meine Frage, wo er hier im lappländischen Niemandsland denn eigentlich einkaufte, antwortete er: „Das frage ich mich auch gerade…!“ Stets war Helmut für einen Witz (oder auch zwei oder mehr) zu haben.
Veronika Möller, Joachims Schwester – „Ihr habt’s aber schwer heute!“ Das ging runter wie Öl, wenn man so am 3. VP empfangen und dabei noch dazu so mitleidig angesehen wurde! Veronika schmiss ihren VP oft alleine, wenn ihre Partnerin Julia Alter die Etappe mitlief und versorgte uns fürsorglich mit (fast) allem, was unser Herz begehrte.
Marianne Albert – „Heut Abend gibt’s Schnitzel!“, sagte Marianne an ihrem VP, um uns auf unserem Weg durch die bayerische Rhön etwas aufzubauen. „Gibt’s dann da auch Pommes dazu?“, war Klaus’ Gegenfrage. „Ach Klaus, wie soll man das denn machen“, stöhnte Marianne. Was dann aus Klaus’ schwäbischem Mundwerk kam, bringt mich heute noch zum Lächeln: „Ha, i däd mal saga, aus Kartoffle?! Also so mach’eds die Meischde. Des had si bewährt…“ So oder so ähnlich ging es meist zu, am zweiten VP bei Marianne und Brigitte. Gelästert werden durfte auch (hihihihihih!) und so war hier für Leib und Seele gesorgt. Und wenn wir mal einen Durchhänger hatten, dann gab es kein Pardon und die beiden schickten uns mit freundlichen aber direkten Worten wieder auf die Strecke.
Dietrich Schiemann – „Wenn ihr bei mir am VP wart, geht ihr ab wie eine Rakete!“ „Dann komm ich besser nicht zu dir an den VP.“ Das war unsere erste Unterhaltung und ich brauchte ein paar Tage, um mich an Dietrichs Humor zu gewöhnen. Ab dann freute ich mich aber immer besonders auf seinen (meist vierten) VP, an dem es immer etwas zu sehen und/ oder zu lachen gab. Nicht zu vergessen seine weihnachtliche VP-Dekoration inkl. Christbaumkugeln und Weihnachtsmannmütze! Für Klaus Wanner war Dietrichs VP immer der „Verpflegungshöhepunkt“.
Helmut Rosiecka – „Nimm dir noch nen Haferkeks, da kannste rennen wie so’n Pferd!“ So wurde ich manchmal von Helmuts VP verabschiedet. Es war meist der vorletzte und so freute ich mich besonders auf langen Etappen auf seinen vorbildlich gepflegten VP und die stets heitere Stimmung dort. Helmut lief auch ein paar Etappen mit und auf einer Etappe freute ich mich, dass ich ihm unterwegs einen Schluck aus meiner Trinkflasche anbieten und mich so auch mal revanchieren konnte.
Thomas Dornburg mit Ilona und Samuel – Den Anblick werde ich so schnell nicht wieder vergessen: Groß war jedes Mal die Freude, wenn Thomas’ Wohnwagen „am Horizont“ auftauchte; und das nicht nur, weil das die Mittagspause samt Suppe einläutete! Wie es die drei so lange in dem winzigen Wohnwagen, der noch dazu Thomas’ mobilen Kiosk enthielt, ausgehalten haben, ist mir ein Rätsel. Dass dem Polizisten und seiner Familie das überladene Auto mit abgefahrenen Reifen und teils abenteuerlicher Dachträgerkonstruktion von seinen Kollegen nicht stillgelegt wurde, auch!
Uli Schulte – „Soll ich etwas besorgen, hast du einen besonderen Wunsch?“ fragte Uli mich, als ich wohl etwas müde am Start in Queck stand. „Ja, einen Wunsch habe ich: Ich will ans Nordkap!“ antwortete ich prompt. Tatsächlich war das meist mein einziger Wunsch und Uli hat mir dabei sehr geholfen. Durch seine ruhige und fürsorgliche Art, mit der er nicht nur an seinem (letzten) VP stand, sondern mit der er auch am Abend in der Halle auftrat war er immer ein Ruhepol und Kraftspender für mich. Er kümmerte sich auch darum, dass besondere Ereignisse wie der 1000. Kilometer gefeiert wurden, dass es unterwegs Spezialitäten wie Bier, Blutwurst oder Gorgonzola aus der Tube gab und nicht zuletzt, dass wir am ein oder anderen Abend einen stimmgewaltigen Gospelsänger hatten. So hatten wir auch die Möglichkeit, gemeinsam Musik zu machen und als ich dringend einen neuen Haarschnitt brauchte, stand mir Uli mit Rasierer und dem nötigen Fingerspitzengefühl zu Verfügung. Danke für Deine Unterstützung, Uli!
Nicole Denis – „Ca va?!“ Recht viel mehr französisch kann ich ja leider nicht und dennoch hat mich diese Frage mitsamt Nicoles fürsorglichem Blick immer sehr aufgebaut. Auch ihr VP war immer perfekt gepflegt, obwohl auch sie ihn meist alleine betrieben hat. Bis dorthin trafen wir sie öfters unterwegs im Auto, denn sie kümmerte sich natürlich auch viel um ihren laufenden „Sir Gerard“ sowie die „französische Nationalmannschaft“ (Roger Warenghem und Alain Lemarchand) und die anderen französischen Teilnehmer. Ich kannte sie bereits vom DL2006 und vom TG2008 und auch wenn sie zu den eher ruhigen Leuten beim TEFR gehörte, war sie eine echte Bereicherung.
Annemieke Cloostermann – „Ganz schlimm. Sechs Tage im Kreis laufen! Aber sooo schööön!“ Theos Augen leuchteten, während seine Frau Annemieke die ihren mehrfach rollte. Theo hatte ich bereits beim 6-Tagelauf Erkrath 2005 kennen gelernt und nach dem TEFR kenne ich nun auch seine Frau. Die beiden fielen nie auf, höchstens durch ihre freundliche und ruhige Art und ihren immer treffenden Humor. Annemieke betreute auch einige VP, entweder alleine oder aber mit Nicole oder Theo. Da sie vor allem bei den langen Etappen dran war, stand sie dann meist recht lange und bei sämtlichen Witterungsbedingungen an ihrem Auto. Auch hier war sie mir durch ihre gelassene Art immer eine große Hilfe.
Ramona Hauser – Wie schon beschrieben stand uns Ramona als Betreuerin, als Physiotherapeutin und als Ruhepol zu Verfügung. Natürlich hat sie sich auch immer bestens um ihren Joachim gekümmert und so sicher einen wesentlichen Beitrag zu seinem erfolgreichen Finish geleistet.
Julia Alter – „Isch laaf morge!“ Wenn ich nicht gleich an Julias Dialekt gedacht hätte, hätte ich wirklich gerätselt, warum sie morgen wohl schlafen will. Aber Julia war natürlich als hervorragende 24h-„Laaferin“ bei vielen Etappen nicht nur am VP anzutreffen, sondern lief mit ihrem Chris viele Kilometer mit. Abgesehen von ihrem Ausflug zur 24h-Weltmeisterschaft nach Bergamo, bei der sie mit 219km einen hervorragenden 5. Platz bei den Damen erreichte, war sie die ganzen zwei Monate mit dabei und sorgte eines Tages in Schweden sogar dafür, dass ich meinen ersten (und einzigen) Elch zu sehen bekam – wenn auch nur als künstlerisch hochwertige Straßenmalerei!
Jan Straub – Wie schon gesagt stand Jan uns jederzeit mit Rat und Tat zur Seite und war unterwegs wie in der Halle immer ein Stimmungsmacher. Stets mit seiner Kamera bewaffnet hielt er viele Impressionen fest und ich bin jetzt schon gespannt auf seine Bilder. Aber nicht nur für die Läufer, sondern auch für die Organisation war Jan eine sehr wertvolle Hilfe. Mal als Konfliktlöser, als Organisator, als Fahrer oder einfach mal zum Zuhören und Ausheulen; ich glaube, jeder war froh, dass Jan dabei war.
Manfred Altenburg war mir schon vom DL her als ruhiger und zurückhaltender Begleiter der Mannschaft bekannt. Beim TEFR war er stets mit Fotoapparat und DigiCam bewaffnet zu sehen und man darf sehr gespannt sein auf seine DVDs, die er aus dem Materialberg produzieren wird!
Jürgen Klemenz - Sah man auch den ganzen Tag hinter seiner Kamera oder hinter dem Laptop. Hat „die Welt da draußen“ immer fleißig mit Bildern und Berichten versorgt und mich so auch über Dinge informiert, die ich ohne ihn nie erfahren hätte. Außerdem war er ein stets gut gelaunter, mit deftigem Schwabenhumor ausgestatteter Gesprächspartner.
Sebastian Bentele - Kenne ich persönlich nicht, weil er nicht dabei war; gehört aber unbedingt zum Team. Die begeisterten Kommentare über die Homepage darf man auch und vor allem ihm zuschreiben.
Shiro Kaihata - Sohn der japanischen Läuferin Kazuko und immer hilfsbereiter, lustiger, freundlicher und offener Geist, der uns am VP (gerne mit Uli) oder auch in der Halle unterstützte.
Kunibert Schmitz - „Heut lief‘s gut“, erzählte ich meinem Papa am Telefon. „Ich weiß - steht alles im Internet!“ So ging‘s mir oft, denn die Berichterstattung samt Zeiten, Wertung, Bildern, Kommentaren etc. war schneller als ich mir je erträumt hätte. Und das machte die meiste Zeit über unser Kuni. Daneben fuhr er noch den Gepäck-LKW und war natürlich beim Be- und Entladen desselben dabei. Alleine war er dabei nicht, denn er teilte sich die Aufgaben mit Robert Schwarz und Walter Schittenhelm. Ehrlich gesagt habe ich nicht mehr im Blick, wer wann was gemacht hat; fest steht nur: Mit den dreien wollte ich nie tauschen, denn sie saßen auf ihrem LKW fest, bis der letzte Teilnehmer ins Ziel kam. Und alles, was die drei machten, klappte jederzeit bestens, obwohl unterwegs sogar einmal der Miet-LKW schlapp machte.
Santina Rigione und Michele Antinori unterstützten uns in Italien, wo sie nur konnten. Aufgrund ihrer Herkunft war das in erster Linie bei der Sprache, aber auch bei der Verpflegung, der Wegweisung zum Ziel oder sonstigen organisatorischen Aufgaben. Nicht zu letzt verbreiteten sie gute Stimmung im Team und halfen so manches Mal, den „Italien-Koller“ im Zaum zu halten.
Nicht zu vergessen sind diejenigen, die sich nach dem eigenen Ausscheiden aus dem Rennen als Betreuer zur Verfügung gestellt haben und sich uneigennützig um die anderen Läufer gekümmert haben. So standen uns Hiroko, Sigrid, Mike und Theo unterwegs und im Ziel mit ihrer Hilfe zur Verfügung. Vielen Dank dafür, und: Respekt!!
In der Hoffnung, niemanden vergessen zu haben, möchte ich diese Serie abschließen mit einem Dank an alle weiteren, die uns unterstützt, uns geholfen, uns besucht oder an uns gedacht haben. Wenn ich die Liste so ansehe, erkenne ich, wie wenig ich alleine zu meinem Erfolg beigetragen habe und wie viele Mitmenschen einen gehörigen Anteil daran haben. Ohne Euch hätt‘ ich‘s nicht geschafft!!
Die Überfahrt
Vor dem großen Halbzeitevent noch mal Besuch zu bekommen war eine fantastische Sache. So besuchten mich auf dem Weg von Bad Segeberg nach Kiel Sarah, meine Schwester Moni und mein Papa und die drei verabschiedeten mich auch auf dem Schwedenkai in Richtung Göteborg. Der Abschied fiel schwer, aber die Fähre konnte ihn ein wenig lindern: Ein Bett hatte ich schon lange nicht mehr gesehen und ein solches Buffet sowieso noch nie. Mir war regelrecht schlecht, als ich den Speisesaal verließ und machte mit Jan erst mal einen Spaziergang auf Deck. Wir hauten beim Abendessen alle rein und luden vor allem unsere Eiweißdepots mit allen möglichen Fischvariationen wieder auf. Die Luft in der Vierer-Kabine war zwar sehr stickig und warm, aber immerhin konnten wir ausschlafen, denn Frühstück gab es erst um 7h. Natürlich war ich am Morgen trotzdem um 4h wach und ging erst mal auf Deck, um etwas Meeresluft zu schnappen.
Ich wusste nicht, ob ich mich auf Schweden freute oder nicht. Der Respekt vor diesem riesigen Land und den langen Etappen überwog manchmal die Freude über die erfolgreich absolvierte erste Halbzeit deutlich. So brauchte ich auch sehr lange, um mental in Schweden anzukommen: Zwar ließen die Verkehrsschilder, Wegweiser und tausende von blau-gelben Flaggen in den Gärten keine Zweifel zu, aber trotzdem wachte ich so manchen Morgen auf in der festen Überzeugung, in Frankreich zu sein.
Doch irgendwann stellte ich fest, dass mir weder die Etappenlänge (die längsten waren meine schönsten Tage!) noch die Einsamkeit der schwedischen Wälder etwas anhaben konnte. Auch die Mitternachtssonne störte mich weniger als sie mich faszinierte. Da bin ich drei Wochen lang nicht darüber hinweggekommen, dass es um 3 Uhr morgens nicht nur etwas heller draußen war als sonst, sondern die Sonne regelrecht in die Halle knallte. Auch tagsüber war das Licht ein anderes als bei uns daheim und ich bin sehr froh, dass ich dieses Schauspiel einmal erleben durfte. Genauso schön war es dann aber auch, die Nacht am Flughafen Stuttgart wieder zu sehen!
„Ich muss da noch mal hin – beim ersten Mal ging alles so schnell!!“ Dieser Kommentar von Günter Böhnke zum ersten TEFR von Lissabon nach Moskau machte mir schon lange zu schaffen. Konnte es sein, dass die zwei Monate so schnell vergingen? Nun weiß ich es: Das Zeitgefühl auf solch einem Lauf ist ein völlig anderes als im normalen Leben.
Das hat wohl verschiedene Ursachen: Der normale Rhythmus von 5 Tagen Arbeit und 2 Tagen Wochenende ist aufgelöst, jeder Tag ist wie der andere, es gibt keine Termine als Anhaltspunkt und man steckt mehr in „einem Großen, Ganzen“ als in einem Zeitraum. Dadurch, dass der TEFR eine so abgeschlossene Angelegenheit mit klarem Anfang und Ende ist, ist es halt mehr ein Zeitpunkt als ein Abschnitt. Und daher wirkt er nun im Nachhinein so weit entfernt und auch recht kurz.
Auch unterwegs konnte ich das schon beobachten: Auch wenn ein einzelner Kilometer, eine Stunde oder Tag sich manchmal ewig zog, so waren die 14 Tage Deutschland von Schweden aus gesehen eine eher kurze Episode.
Aber auch an anderer Stelle litt das Zeitgefühl deutlich: Auf einer kurzen Etappe lag ich schon am Nachmittag um 14:30h auf meiner Matte und machte ein Nickerchen. Als ich aufwachte war für mich klar, dass ein neuer Tag begonnen hatte und ich mich zum Start fertig machen musste. In der Halle war das übliche Durcheinander, wenn auch etwas entspannter als sonst. Meine Uhr zeigte 15:15h und zunächst dachte ich wirklich, ich hätte sie im Schlaf verstellt, denn es musste ja aus meiner Sicht 4:15h am Morgen sein! Ich brauchte tatsächlich 1-2 Minuten, um zu verstehen, dass es nicht früher Morgen war, dass ich nicht aufstehen musste und dass ich in den nächsten Stunden schon gar nicht loszulaufen brauchte.
Schweden
Wie schon gesagt brauchte ich ein paar Tage, um auch mit dem Kopf in Schweden anzukommen. Das hielt mich aber nicht davon ab, die Landschaft, Dörfer, Seen und Stimmung vom ersten Meter an zu genießen. Göteborg begrüßte uns zwar mit Regenwetter und auch unterwegs wurden wir einige Male nass, aber im Großen und Ganzen waren die rd. 1.700km wunderschön. Meine Befürchtung, dass ich mit den langen, geraden und einsamen Straßen meine Probleme bekommen würde, hat sich auch als unbegründet herausgestellt und manchmal musste ich sogar lachen, wenn der nächste VP „gleich hinter der nächsten Kurve“ lag. Irgendwann stellte ich fest, dass ich mit den langen Etappen sogar wesentlich besser zurecht kam als mit den kürzeren: Anscheinend unterschätzte ich so manche 50km-Etappe und war unterwegs dann doch überrascht, wenn auch diese sechs Stunden erst einmal gelaufen werden mussten. Bei den 80-, 90-Kilometertagen allerdings hangelte ich mich gleich von Beginn an nur von VP zu VP und staunte dann, wie schnell die 10 oder 11 Stunden vergangen waren.
Eine gute und hilfreiche Taktik war meine „Drittelstrategie“: Ich teilte mir jeden Tag in drei Teile ein, wobei der letzte Abschnitt immer etwas kürzer war als die ersten beiden. So war es immer mein Ziel, z.B. die ersten 30km einer 85km-Etappe locker und konsequent zu laufen. Die zweiten 30km wollte ich mich dann anstrengen und auch diese mit meiner Zielgeschwindigkeit von 8km/h zügig abhaken. Die verbleibenden 25km konnte dann nichts mehr passieren, selbst wenn ich gehen musste oder andere Schwierigkeiten auf mich zukamen. So wurde auch ein langer Tag in überschaubare, wenige Kapitel eingeteilt und „schon zwei Drittel geschafft“ hörte sich in meinen Ohren besser an als „noch 25km“…
Interessant fand ich, dass ich auch nach insgesamt 7 oder 8 Wochen immer noch viel Neues über meine Mitstreiter erfahren konnte. Ich hatte schon damit gerechnet, dass viele in der Mitte von Schweden eine kleinere oder größere Krise durchmachen würden. Aus meiner Erfahrung heraus ist das Gefühl schon viel gelaufen zu sein, aber dennoch kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen, für viele nicht einfach. Und so konnte ich bei so manchem beobachten, wie der ein oder andere Nerv blank lag und Läufer wie Betreuer ein Verhalten zeigten, das sie zuvor noch nicht an den Tag legten. Fairer Weise muss ich ergänzen, dass natürlich auch meine Beobachtung und Sensibilität starken Schwankungen unterlag und ich mich in Schweden sicher über Dinge aufregte, die mir in Italien vielleicht gar nicht aufgefallen wären.
Leute
Hier findet ihr also eine kleine Auswahl an Typen und Charakteren, die mir unterwegs so begegnet sind. Etwaige Ähnlichkeiten zu lebenden Personen sind nicht zu vermeiden ;-)
Liebenswerte und eigensinnige Großmäule, die so manches Mal verbal über die Stränge schlugen, dies aber mit einem Schmunzeln und Augenzwinkern. Wurden mir im Lauf der Zeit immer sympathischer, da sie eine Offenheit und Ehrlichkeit an den Tag legen, die ich bei manch anderem vermisste.
Souveräne Teamplayer, die mich jeden Tag aufs Neue durch ihre erstaunliche Gelassenheit, Professionalität und Freundlichkeit begeistert haben.
Nette, offene und sympathische Mittelfeld-Läufer, die nach ein paar Tagen an der Spitze des Feldes auf einmal diese positiven Eigenschaften fast ablegten und am VP nicht mal mehr ein „Hallo“ rausbrachten. Schön, dass sie später ihre positiven Eigenschaften in der Mitte des Feldes wieder gefunden haben!
Wahre Freunde, bei denen ich von Anfang an die gleiche Wellenlänge spürte, mit denen ich auch als „Lieber-alleine-Läufer“ stundenlang zusammen unterwegs sein konnte, die mir einen Grund gaben, weiterzulaufen, und mit denen ich einen solchen Lauf sogar noch mal machen würde.
„Positive-Energy Guys“, in deren Gegenwart ich auf einmal die berüchtigte „Warum-Frage“ aus den Augen verlor und jede Menge Mut, Zuversicht und Spaß gewann. Oft fühlte ich in Gesprächen mit ihnen den Sinn des Ganzen, eben weil ich nicht mehr danach fragte oder suchte.
Disziplinierte Läufer, die leider trotz riesiger Erfahrung immer noch nicht langsam tun konnten, wenn es die Gesundheit gebot und sich trotz hervorragender Platzierung systematisch totliefen; nach dem tragischen Ende nahmen sie allerdings ihre Situation mit beneidenswerter Disziplin hin und wechselten mit vollem Einsatz und fast selbstlos in die Rolle des Betreuers.
Natürlich gab‘s auch (Dumm-)Schwätzer, Besucher, über die sich fast niemand gefreut hat, Prinzessinnen mit präpubertärem Verhalten etc.; aber nachdem ich beschlossen habe, nur noch positive Erinnerungen an diesen Lauf behalten zu wollen, gehe ich auf die nicht genauer ein... :-)
Finnland und Norwegen
„Hahaaa, etz simma in Finnland, i glaub’s ja ed!“ Klaus Wanners Augen strahlten und die Freude über den Grenzübertritt war ihm deutlich anzusehen. Schweden lag hinter uns und jetzt kamen „nur noch“ ein Tag Finnland und 5 Tage Norwegen. Es lagen noch rd. 380km vor uns und so versuchte ich nach wie vor, ruhig zu bleiben und nicht in Endspurt-Hektik zu geraten. Beim Deutschlandlauf denkt ja auch kaum jemand schon nach 12 Tagen an Lörrach und schaltet einen Gang hoch.
Leider spielte uns das Wetter nicht mit und als wir die Stadt Karesuando, die eine schwedische und eine finnische Seite hat, verließen, goss es aus Strömen. Auch die Temperatur war eher nordisch und so bedeutete diese Etappe für eine Läuferin leider das Ende der Tour: Hiroko Okiyama ist eine passionierte Etappenläuferin und durch ihrem neuen Streckenrekord beim Trans Gaule 2008 hatte sie ihre Favoritenstellung beim TEFR bestätigt. So führte sie lange Wochen das Feld an, obwohl sie zwischenzeitlich massive Schwierigkeiten in Form von Entzündungen an der Achillessehne und im Oberschenkel hatte. Allen Widrigkeiten zum Trotz startete sie unerschrocken in jeden neuen Tag, nur leider wohl auch manchmal zu schnell. So musste sie nur rd. 500km vor dem Nordkap leider aufgeben. Das besonders Tragische ist in ihrem Fall, dass sie auch den TransEurope-Footrace 2003 auf der 41. Etappe nach rd. 3.200km abbrechen musste. Diesmal war sie so nahe dran, doch es hat leider nicht geklappt. Ihre Situation hat sie mit japanischer Contenance bravourös ertragen, doch sicherlich war die Enttäuschung innerlich sehr groß.
Auch das war wieder ein Ereignis, das mich emotional sehr mitgenommen hat und ich war den ganzen restlichen Tag sehr unsicher und ängstlich; ich sah, an welch dünnem Faden die Sache hing und fürchtete mich davor, dass irgendetwas Schlimmes passierte. So bekam ich manchmal Angst, wenn ich sah, wie dicht die Autos an Klaus vorbeifuhren, wenn er vor mir lief. Sicherlich war der Abstand der Gleiche wie in den letzten Wochen auch, doch „gefühlt“ war er mir viel zu klein.
Ich weiß nicht, wie ich aus diesem Loch wieder herauskam; ich wusste nur, dass es nun darauf ankam, weiter zu machen, mir immer und immer wieder das Nordkap vorzustellen, alles zu akzeptieren wie es war und zu vertrauen.
So liefen wir tagelang durch Gegenden, in denen Zivilisation und Vegetation sich gegenseitig zu unterbieten schienen, fragten uns immer wieder und immer mehr, wie man hier wohnen konnte und hakten einen Tag nach dem anderen ab. Einen gewaltigen Motivationsschub erlebte ich auf der 61. Etappe nach Alta. Hinter einer Bergkette nach dem Start erwarteten uns Gebirgsbäche, duftende Kiefernwälder, offensichtlich wohlhabende Wohngegenden und ein fantastisches Panorama mit Bergen und Meer. Die Unterbringung und Verpflegung in Alta/ Rafsbotn war allererste Sahne und wir freuten uns darauf, dass uns das Wetter in den letzten Tagen so verwöhnte.
Doch nach der nächsten Bergkette, war‘s wieder vorbei mit dem Golfstromklima und auf einem völlig ausgesetzten Hochplateau blies uns ein giftiger Nordwind, teilweise mit Regen, entgegen. Der einzige Trost waren massenhaft Rentiere und das Wissen, dass dies die letzte 90km-Etappe war! So kam ich irgendwie in Olderfjord an und freute mich auch hier wieder über den Blick aufs Meer. In mir steckte ein nie da gewesenes Gefühlschaos und ich wusste einfach nicht, ob ich mich auf die letzten Etappen und das Ziel freuen sollte oder nicht. Wenn ich jedoch hier schon gewusst hätte, was uns am nächsten Tag erwartete - ich hätte es mir nicht zugetraut!
Das Wetter verschlechterte sich nochmals und an mancher Stelle blies mich der Wind fast um. Es war ekelhaft kalt und ich hatte mich leider in meiner Kleiderauswahl vertan. Ich fror wie ein Schneider und zog so manches Mal nur aus der Tatsache Hoffnung und Mut, dass die anderen auch noch liefen. Ich dachte tatsächlich einen Moment darüber nach, ob Ingo wohl diese Etappe abbrechen und annullieren würde. Meine Appetitlosigkeit und Müdigkeit halfen mir an der Stelle natürlich auch nicht gerade weiter und ich weiß bis heute nicht, wie ich es bis zur Mautstelle hinter dem Tunnel geschafft habe. Übrigens hätte ich auch nie gedacht, wie sehr ich mich auf einen 7km-Tunnel freuen kann - denn da war es zumindest trocken und windstill!
Dann war es soweit: Wieder aufgewärmt, gut gesättigt und gespannt wie ein Zehnjähriger einen Tag vor Weihnachten starteten wir am 21. Juni 2009 alle gemeinsam auf unsere letzten 45,7km. Diese Zahl war zu diesem Zeitpunkt für mich so wenig begreifbar, wie es die 4.500km vor dem Lauf waren. Zu oft und zu lange hatte ich mich davon abgehalten, ans Ende zu denken und mich lieber auf das Hier und Jetzt fokussiert. Konnte es wirklich aus sein? Sollte es aus sein? Was kam danach?
Das Rennen
Zunächst mal kam wahrscheinlich eine Siegerehrung, davon ging ich aus. Doch in den letzten Wochen war mir mehr und mehr klar geworden, dass meine Platzierung das für mich Unwichtigste am ganzen Lauf war. Ab und zu verspürte ich den Drang, meine Platzierung zu „verteidigen“, bis mir klar wurde, dass diese nur ein Zufallsprodukt war und gar nicht wert ist, sich dafür anzustrengen. Seltsamer Weise vergrößerte ich unmittelbar danach den Abstand zu den Läufern, die in der Gesamtwertung hinter mir lagen. Doch es war mir egal.
Es ist ohnehin Irrsinn, diese 67 Läuferinnen und Läufer in eine Wertung pressen zu wollen. Da gab es Vollblutwettkämpfer, die ganz klar und unmissverständlich auf Sieg liefen, 72-Jährige, die deren Väter hätten sein können, MS- und Leukämiekranke, die um ihr Leben liefen, und, und, und. Eine Altersklasseneinteilung gab es natürlich nicht, hätte es „Mentalitätsklassen“ gegeben, es wären wahrscheinlich 67 gewesen.
Ich frage mich auch immer noch, wer eigentlich mehr geleistet hat: Die Führenden, die in den 64 Tagen rd. 1.100 Stunden Regenerationszeit hatten oder die Sportler am Ende des Feldes, denen in der gleichen Zeit nur gut 750 Stunden zu Verfügung standen. Angestrengt haben sich die „Schlusslichter“ sicherlich genauso. Von ihrem ständigen Druck des Zeitlimits mal ganz abgesehen.
Ich möchte dem Sieger Rainer Koch genauso gratulieren wie der letzten Läuferin, Saeko Kishimoto. Rainer dafür, dass er ein so hoch anständiger, sympathischer und bescheidener Sportler und darüber hinaus einfach ein toller Typ ist. Saeko für ihre Unbeirrtheit, ihren Mut und ihre Werte, die sie so klar zum Ausdruck bringen konnte, wie Uli mir erzählte: Als er sie auf einer der letzten Etappen an seinem VP empfing, war er schon etwas ungeduldig. Um sie zum Weiterlaufen zu bewegen, setzte er eine (ihm völlig untypische) finstere Mine auf und sah mehrfach auf die Uhr. Verbal setzte er nach: „Do you need anything?“ „I just need your smile“, war ihre unmissverständliche und treffende Antwort. Als Uli mir diese Geschichte erzählte, gab er sichtlich beeindruckt zu „Von Saeko habe ich heute wieder etwas gelernt.“ Die Ahnung, dass ich beim TEFR dieser Weisheit vielleicht etwas näher kommen durfte erfüllt mich genauso mit Stolz wie mein Finish und mein 25. Platz.
Nordkapp
Die Kilometerschilder am Straßenrand ließen keinen Zweifel zu, zu oft hatte ich die Rechenaufgabe nun schon gemacht: Es waren keine 10km mehr. Nach knapp fünf Stunden durch Regen, Schnee, Sturmböen, nach knapp fünf Stunden ohne Gefühl in den eisigen Beinen und Füßen war vom großen Abenteuer fast nichts mehr übrig. Ich versuchte sie zu genießen, doch auch diese letzte Stunde verflog wie so viele zuvor und schon bald konnten wir das nördlichste Gebäude Europas am Horizont sehen. Wir waren da.
Straße - Schranke - Parkplatz - Halle - Rene und Takasumi - Menschen - Busse - Day 64 of 64 - Kameras - die Weltkugel - Tränen - ... Das sind so die „Erinnerungssplitter“, die mir geblieben sind und wenn ich heute „reintrete“, dann kommen die Tränen immer noch. Ich wusste, dass es nicht einfach werden würde: Zweieinhalb Jahre Vorbereitung, zwei Monate hart arbeiten und mit einem Schritt waren ein Ziel, eine Liebe und ein Traum Geschichte. Warum durch Europa laufen? Sicherlich aus Leidenschaft, aber auch (frei nach Oscar Wilde): „Der Lauf ist das vollendete Bild des Genusses: Er ist köstlich und lässt unbefriedigt. Was ist noch zu verlangen?“
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Hier findet Ihr meine Newsletter, die ich vor und während dem TEFR verschickt habe:
Newsletter #9 vom 21. Juni 2009
GESCHAFFT!! Vielen Dank an alle, die an mich gedacht und geglaubt haben.
Euer Tom
Newsletter #8 vom 18. Juni 2009
Hallo zusammen und viele Grüße aus dem norwegischen Alta!!
Von hier aus wird am Montag mein Flug in Richtung Heimat starten und auch wenn ich es noch überhaupt nicht realisiere, aber unser Abenteuer neigt sich tatsächlich dem Ende zu. Nun haben wir noch drei Etappen vor uns und so Gott will werde ich am Sonntag gegen Mittag nach 64 Tagen und 4.500km das Nordkap zu Fuß erreichen. Heute haben wir schon den ersten Wegweiser gesichtet: Nordkapp 229km!
Was in den letzten zwei Monaten passiert ist? Ich kann es selbst nicht in Worte fassen; wenn ich mir die Fotos aus Italien und Deutschland ansehe, kann ich kaum glauben, dass ich sie gemacht habe. So viele Momente, Stimmungen, Begegnungen, und noch dazu in einer solchen Dichte, das ist momentan zu viel für mich.
Wie ein Teilnehmer des TransEuropa-Laufes 2003 schon sagte: "Ich will da noch mal mitmachen. Beim ersten Mal ging alles so schnell, da hab ich gar nichts mitbekommen!" Nun verstehe ich ihn...
Wir alle stecken hier gerade in einem Gefühlsmix aus Ungeduld, versuchter Coolness, Ermüdung, Angst und Hoffnung. Da eskaliert schnell mal etwas und die Nerven halten nicht mehr ganz so viel aus. Ich selbst stelle an mir fest, dass ich mir über die letzten 3 Etappen mehr Gedanken mache als über die ersten 30.
Aber egal: Heute war ein Traumtag mit viel Sonne, Bergen, Seen und Meer. Die 85km gingen flott und angenehm vorbei und auch die Unterkunft hier in Alta erfüllt unsere (mittlerweile bescheidenen) Erwartungen.
Ich hoffe sehr, dass es wettermäßig und gesundheitlich weiterhin so gut geht und freue mich drauf, Euch den nächsten Newsletter vom Nordkap aus zu schicken!
Viele Grüße,
Euer Tom
Newsletter #7 vom 7. Juni 2009
Hallo zusammen!
Ein richtig guter Tag und die 50. Etappe - das ist mal wieder einen Newsletter wert, dachte ich mir. Meine erste Erkenntnis nach mittlerweile 17 Tagen und 1.150km Schweden: Das ist ein seeeehr großes Land hier!! Nach nur drei Tagen Astrid-Lindgren-Idylle war Schluss mit Landleben á la Michel von Lönneberga oder Nils Holgerson und seitdem laufen wir buchstäblich durch den Wald.
Man fragt sich schon, wer hier wohnt und was diejenigen arbeiten, wenn es von Dorf zu Dorf 50km sind und es außer der E45, auf der wir laufen, keine asphaltierten Straßen gibt!
Ich warte immer noch auf die Schranke mit dem Hinweis "Sie haben das Ende der Welt erreicht - hier geht's nicht weiter!", aber so wie's aussieht kommt dieser Hinweis erst in 1.060km. So weit haben wir's nämlich noch zum Nordkap.
Den 49 noch in der Wertung verbliebenen Läuferinnen und Läufern sind die bisherigen 7 Wochen stark anzumerken. Der Start früh morgens wird immer gemütlicher, die Stimmung wird einerseits immer ruhiger, andererseits liegen bei manchen auch die Nerven blank und die Verletzungen scheinen sich zu häufen.
Das wechselhafte Wetter der letzten Tage hat da keine wesentliche Besserung gebracht: 2-18°C, bissiger Nord- (also Gegen-) wind, Regen- und Graupelschauer... Da macht nicht jeder Kilometer Spaß!
Und nun stehen uns die längsten Etappen des ganzen Laufs erst noch bevor. Nächste Woche stehen 550km auf dem Programm und wenn sich das Wetter nicht wesentlich bessert, wird es für einige kritisch.
Mir geht es Gott sei Dank nach wie vor bestens und ich versuche, nicht wir andere schon gedanklich zum Endspurt anzusetzen. Denn 1.000km läuft man nicht einfach so weg, auch wenn es die "letzten" sind.
Wie zu erwarten war habe ich immer noch nicht die geringste Ahnung, warum ich das hier tue und dennoch bin ich froh, ein Teil dieses verrückten Haufens zu sein, der nun schon so lange und ohne Pause durch unseren Kontinent tourt.
Ich danke allen, die mich dabei unterstützen und an mich denken und wünsche Euch eine schöne Woche!
PS: Das genieße ich übrigens schon: Mein Wochenende ist morgen nicht vorbei :-)
Viele Grüße,
Euer Tom
Newsletter #6 vom 20. Mai 2009
Moin zusammen!
Ich kann es selbst kaum glauben, aber ich musste mich tatsächlich beeilen noch einen Newsletter zu versenden, bevor wir Deutschland schon wieder verlassen!
Manchmal kommt's mir vor, als wären wir erst gestern im Allgäu (s. letzter Newsletter) gewesen und doch setzen wir morgen Abend mit der Fähre von Kiel nach Schweden über.
Deutschland hat uns mit traumhaftem Laufwetter (bin unterwegs nur zweimal nass geworden), gut laufbaren Strecken und vielen netten Besuchern verwöhnt.
Mein Körper har sich allem Anschein nach an die Belastung gewöhnt: Abgesehen von einem völlig verspannten Nacken und ein paar Problemen in den Knien geht‘s mir bestens. Das kann man leider nur von wenigen Läufern hier behaupten.
Mein Kopf weiß gerade nicht so recht, was er denken soll: Auf der einen Seite freue ich mich über die nahezu problemlose erste Hälfte, auf der anderen Seite fallen mir die ersten 30km jeden Tag erneut sehr schwer. Und was ich von den bevorstehenden langen Etappen in Schweden halten soll weiß ich auch nicht.
Aber so geht es hier fast allen und in den letzten Tagen haben noch einige Läuferinnen und Läufer unerwartet Probleme bekommen. Zwar sind "erst" 14 Teilnehmer ausgeschieden, es werden aber wohl noch einige dazukommen.
Ich möchte allen danken, die mich unterstützen und die an mich glauben. Ich denke öfter an Euch als Ihr glaubt und bin froh, dass ich diese einzigartige Erfahrung machen darf.
Viele Grüße aus Bad Segeberg,
Euer Tom
Newsletter #5 vom 7. Mai 2009
Hallo zusammen!
Nach 19 Tagen und 1.260km meldet sich heute ein zufriedener Tom aus dem wolkenlosen Seeg im Allgäu! Nachdem wir in Italien mit nasskaltem Wetter und kriminellen Autofahrern zu kämpfen hatten, verwöhnen uns die Alpen mit traumhaften Wetter und fantastischen Panoramen.
Es sind zwar leider schon 9 Läufer ausgestiegen, man muss aber sagen, dass diese Zahl für solch eine Strecke sehr klein ist. Ich hatte nach gut einer Woche mit massiven Entzündungen im Bereich beider Achillessehnen zu kämpfen, bin diese aber rechtzeitig zu den Alpenetappen wieder losgeworden. Aktuell fehlt mir nichts - außer etwas Power ;-)
Morgen geht es durchs Allgäu und alle die, die sich auf das Ende der hügeligen Strecken freuen, dürften etwas enttäuscht werden. Auf jeden Fall freue ich mich darauf, übermorgen in Offingen bei Leipheim die Donau zu überqueren und Deutschland in Richtung Kiel zu durchqueren.
Vielleicht gehen ja bis dahin noch ein paar Spenden von Euch an die Grünhelme?
Konto-Nr. 200 000 8, Deutsche Bank BLZ: 700 700 24, Stichwort "TransEuropa"
Wer Bilder sehen will, die gibts unter www.transeurope-footrace.org
Viele Grüße und alles Gute,
Euer Tom
Newsletter #4 vom 26. April 2009
Ciao amici!
Nach 8 Etappen und 511km melde ich mich aus dem nasskalten und windigen Fano.
Die erste Woche unseres Vorhabens ist geschafft und jeder hat sich auf seine Weise eingelebt: Der Tagesablauf (4h aufstehen, 5h Frühstück und 6h loslaufen) ist zur Gewohnheit geworden, man findet auf Anhieb das in der Tasche, was man sucht und die unvermeidlichen Schmerzen sind auch nichts außergewöhnliches mehr.
Leider mussten bereits drei Läufer verletzungsbedingt aufgeben und die nächsten Tage liegen alle über 70km, sodass es für uns nicht einfacher wird.
Ich habe mich schon manches Mal über unser Vorhaben gewundert, und doch freue ich mich, Teil dieser Idee zu sein. Wir sind schon eine Familie geworden und ich bin gespannt, wie wir uns weiterhin zusammenraufen.
Ich hoffe, der Newsletter kommt gut bei Euch an, danke für Eure Aufmerksamkeit und melde mich demnächst wieder!
Viele Grüße,
Tom
Newsletter #3 vom 9. April 2009
Hallo zusammen,
es ist soweit: Die Tasche ist halb gepackt und nach einem hoffentlich entspannten Osterwochenende geht's für mich am 17. April nach Bari. Ich weiß seit zweieinhalb Jahren, dass ich am 19. April von Bari aus ans Nordkap starten möchte. Dass es nun wirklich passiert, bedeutet, dass ein Traum wahr wird.
Einem Journalisten habe ich Anfang der Woche erklärt, dass wir nun schon einen großen Teil hinter uns haben.
Auf sein verdutztes Schweigen hin erklärte ich ihm, dass ein Läufer schon viel geschafft hat, wenn er es gesund, entspannt, fit und zahlungsfähig bis zur Startlinie schafft. Es hätte bisher schon einiges schief gehen können - das tat es nicht und dafür bin ich sehr dankbar.
Übrigens habe ich mich noch diesen Montag 2 Stunden lang an der Uniklinik quälen lassen: Der gesamte Lauf wird von einem Ärzteteam der Uniklinik Ulm mit einem mobilen Magnetresonanztomographen und jeder Menge weiterem Messgerät begleitet. Ziel davon ist es, die Vorgänge und Veränderungen im menschlichen Körper bei solchen Belastungen zu untersuchen. Das hat nämlich bislang fast niemand getan und die Forschungen endeten bisher bei 42km.
Nun gibt's einen Ausgangsbefund inkl. Angaben zu meiner Schmerzverträglichkeit (deswegen die Quälerei) und während des Laufes werde ich alle 5-6 Tage ca. 45min in der Röhre verbringen. Erstaunliche Erkenntnisse gibt's bereits jetzt: Alle Läufer haben in den Voruntersuchungen weit mehr Schmerz vertragen als die Nichtläufer, die die gleichen Tests machen durften. Böse Zungen behaupten sogar, wir hätten's gerne, wenn's weh tut... ;-)
Und wenn's Euch, Euren Kolleginnen und Kollegen, Freunden, Bekannten etc. nicht weh tut, dann spendet doch bitte noch an GRÜNHELME e.V. Kto.-Nr: 200 000 8, BLZ: 700 700 24; Deutsche Bank München; Stichwort "TransEuropa".
Wenn wir am 21. Mai mit der Fähre von Kiel nach Göteborg übersetzen, dann haben wir genau die Hälfte der Strecke hinter uns. Es folgen 2.265km Skandinavien pur: Entlang dem Vänern, Schwedens größtem See, geht's nach Kristinehamn. Immer weiter Richtung Norden Über Östersund und Vilhelmina nach Arvidsjaur. Es folgen sechs weitere Etappen durchs schwedische Lappland, bis wir am 16. Juni einen kleinen Abstecher nach Finnland machen. Am Tag darauf passieren wir die Grenze nach Norwegen und bringen an den letzten fünf Tagen die letzten 370km hinter uns. Obwohl ich keine Ahnung habe, wie's mir da gehen wird, freu' ich mich schon irgendwie drauf ;-)
Wer nun glaubt, am Nordkap steigt dann eine gewaltige Party, den muss ich leider enttäuschen: Die Stimmung im Ziel solcher Etappenläufe ist zwar durchaus emotional, aber sehr ruhig und entspannt. Noch in der Nacht nach dem Zieleinlauf klettern wir in den Bus, der uns 200km nach Alta bringt. Und um 7:30h wird schon mein Flieger Richtung Stuttgart abheben.
Aber bis dahin habe ich ja bestimmt noch einiges zu erzählen und halte ich Euch so gut es geht auf dem "Laufenden". Vielen Dank und Euch allen eine gute Zeit!
Tom
PS: Hier noch mal die wichtigsten Termine unseres Laufs:
Sonntag, 19. April: Start in Bari
Dienstag, 5. Mai: Grenzübertritt Italien - Österreich (Etappenziel: Pfunds)
Donnerstag, 9. Mai: Grenzübertritt Österreich - Deutschland (Etappenziel: Seeg)
Samstag, 9. Mai: Donauüberquerung bei Offingen/ Leipheim (Etappenziel: Nattheim)
Donnerstag, 21. Mai: Überfahrt nach Göteborg
Sonntag, 21. Juni: Ziel am Nordkap
Wer eine genauere Streckenbeschreibung haben möchte: Gibt's fast kilometergenau unter
http://www.transeurope-footrace.org/tel_09/index.php?lan=de&page=TEFR09&content=Streckenbeschreibung
Newsletter #2 vom 1. März 2009
Hallo zusammen!
Schon wieder ist ein Monat vorbei und unser Start in Bari rückt näher und näher.
Zunächst einmal vielen Dank für die positiven Rückmeldungen auf meinen ersten Newsletter - freut mich natürlich sehr, wenn Ihr Euch für unser Abenteuer interessiert. Aber wer ist das eigentlich - "wir"?! Wieviele Verrückte gibt es überhaupt, die sich das antun? Da möchte ich gleich mal mit einem weit verbreiteten Klischee aufräumen: Transkontinentalläufe wie der TEFR sind keine Eskapaden zivilisationsmüder Menschen aus der Neuzeit; der erste Lauf durch den amerikanischen Kontinent fand schon im Jahr 1927 statt! Seither gab es diese Form des Abenteuers noch ein paar Mal in den USA und zweimal auch in Australien. 2003 veranstaltete Ingo Schulze dann seinen ersten TransEuropa-Lauf von Lissabon nach Moskau: Satte 5.064km in 64 Tagen!!
Die Klientel solcher Läufe stellt einen bunten Querschnitt durch die Allgemeinheit dar: In unserem Fall sind Sportlerinnen und Sportler aus 13 Nationen im Alter von 28 - 73 Jahren dabei. Dabei sind verschiedene Religionen genauso vertreten wie verschiedene Berufe. Nur eine Gruppe trifft man selten an: Profisportler! Es geht in diesem Sport so wenig um Geld, dass es nur wenige gibt, die ihr Leben damit finanzieren können. Was die Sache aber auch deutlich angenehmer macht, denn wie man in so manchem Sport sehen kann, nehmen die unfairen Mittel mit steigendem Geldfluss zu. Preisgelder gibt es bei uns übrigens keine.
Mich persönlich freut es sehr, dass ich rd. zwei Drittel der Starter persönlich kenne. Es handelt sich dabei um die üblichen Verdächtigen, die ich in den letzten Jahren bei diversen Laufaktionen kennen gelernt habe. Auch das erleichtert mir die Vorbereitung auf den Lauf sehr, denn eines ist mir in den letzten Jahren klar geworden: Bei solchen Events läuft zwar jeder alleine, aber so richtig schwierig wird's wohl erst, wenn man einsam ist.
Und anderen ihre Armut und Einsamkeit zu nehmen, daran können wir uns alle beteiligen. Ich bitte daher nochmals dringend um Eure Spenden an GRÜNHELME e.V.:
Kto.-Nr: 200 000 8, BLZ: 700 700 24; Deutsche Bank München; Stichwort "TransEuropa".
Wie versprochen hier die Streckenbeschreibung durch Deutschland, die sich einfach gesagt mit den Worten "entlang der A7" beschreiben lässt: Wir kommen bei Füssen über die Grenze und laufen mehr oder weniger parallel zur A7 durchs Allgäu über Mindelheim in Richtung Donau. Nur rd. 40km von Ulm entfernt überqueren wir diese am 9. Mai in Offingen. Weiter geht's in Richtung Norden durch's Frankenland nach Würzburg. Immer noch Richtung Norden geht's, teils an der Fulda entlang, an Braunschweig vorbei mit Kurs auf Hamburg. In Kiel wird unser Deutschlandlauf mit dem Einchecken auf der Fähre enden. Über Nacht setzen wir nach Schweden über, um am 22. Mai in Göteborg die zweite Hälfte unserer Tour zu starten. Tatsächlich sind es dann immer noch rd. 2.250km und ich für mich bin mir sicher, dass dann die mentalen Herausforderungen erst so richtig beginnen, denn 30 Tage lang fast geradeaus durch den Wald zu laufen, das Ganze noch garniert mit starken Regenfällen und lästigen Mücken ist sicher nicht lustig. Ich habe aber die Hoffnung, dass sich unser Körper dann soweit eingewöhnt hat, dass wenigstens er keine Probleme mehr macht...
Während ich das so schreibe, plagen mich die Fragen, auf was ich mich da eigentlich eingelassen habe. Und bevor ich noch mehr ins Grübeln komme, danke ich lieber für Eure Aufmerksamkeit und wünsche Euch einen guten Start in eine gesunde und zufriedene Woche.
Euer Tom
Newsletter #1 vom 22. Januar 2009
Hallo zusammen!
Einige von Euch wissen es vielleicht schon: Ich erfülle mir demnächst einen großen Traum und werde durch Europa laufen! Wie Ihr Euch sicher vorstellen könnt, beschäftigt mich diese Sache sehr und ich möchte Euch über diesen Newsletter gerne daran teilhaben lassen. Wer den Newsletter nicht mehr bekommen möchte, schreibt mir bitte einfach eine Mail.
Es sind nun noch 86 Tage bis zu unserem Start in Bari (Süditalien). Ab dem 19. April werden wir dann in 64 Tagesetappen rd. 4.500km durch Italien, Österreich, Deutschland, Schweden, Finnland und Norwegen laufen. Ziel ist am 21. Juni, also pünktlich zur Sommersonnwende, am Nordkap. Es handelt sich um einen organisierten Lauf mit ca. 60 Teilnehmern aus 12 Ländern. Der Organisator, Ingo Schulze, führt auch den Deutschlandlauf (www.deutschlandlauf.com) durch, an dem ich bereits 2006 teilgenommen habe.
Seit meiner Vorbereitung auf den Deutschlandlauf spiele ich mit dem Gedanken, durch Europa zu laufen. Die Entscheidung fiel dann am 27.September 2006 im Ziel in Lörrach. Seither gab es nicht nur läuferisch (z.B. die Transe Gaule, eine 1.150km-Frankreichdurchquerung in 18 Tagen), sondern auch organisatorisch viel zu tun. Nun sind's nicht einmal mehr 100 Tage bis zum Start und die Aufregung ist nicht mehr zu leugnen!
Ich persönlich sehe diesen Lauf als ein großes Geschenk an, denn man muss wohl irrsinnig gesund, zufrieden und glücklich sein, um auf so eine Idee zu kommen! Viele unserer Mitmenschen haben jedoch weder die Gesundheit noch das Geld noch die Freiheit, so etwas zu tun. Daher möchte ich meinen Lauf mit einer Spendenaktion verbinden und bitte Euch, Eure Freunde, Kollegen und Bekannte auf diesem Wege um rege Teilnahme: Eure Spenden sollen den GRÜNHELMEN e.V. (www.gruenhelme.de) zu Gute kommen. Diese Organisation um den Cap Anamur-Gründer Rupert Neudeck baut seit 6 Jahren Schulen und Krankenhäuser in Kriegs- und Krisengebieten wie Afghanistan. Das Besondere an dieser Organisation ist zum einen das Team, das sich aus Freiwilligen verschiedener Religionen zusammensetzt und zum Anderen die äußerst geringe Verwaltungsquote von unter 1,5%. 98,5% Eurer Spenden kommen also bei den Menschen an! Hier die Bankverbindung der Grünhelme:
Kto.-Nr: 200 000 8, BLZ: 700 700 24; Deutsche Bank München; Stichwort "TransEuropa".
Wer seine Adresse mit angibt, erhält natürlich eine abzugsfähige Spendenquittung.
Streckenbeschreibung Italien/ Österreich:
Wir starten in der süditalienischen Hafenstadt Bari und laufen entlang der Küste über Foggia, Pescara und San Benedetto del Tronto nach Rimini. Dort verlassen wir die Küste mit Kurs auf Verona und den Gardasee. Nun wird's bergig! Durchs Vinschgau und Etschtal geht's bis auf den Reschenpass (1.508m ü.NN) und weiter durch's Pitztal und über's Hahntennjoch (1.894m ü.NN) ins Lechtal. In der Nähe des Tannheimer Tals kommen wir dann über die Grenze nach Deutschland. Bis hierher haben wir in 19 Tagen rd. 1.300km und damit gut ein Viertel der Gesamtstrecke absolviert. Genaueres zur Strecke könnt Ihr unter www.transeurope-footrace.org erfahren. Im nächsten Newsletter stelle ich Euch dann die Strecke durch Deutschland vor.
Bitte meldet Euch bei mir, wenn Ihr irgendwelche Fragen zum Lauf, zur Spendenaktion oder zu einem anderen Thema habt! Der nächste Newsletter kommt dann in vier Wochen.
Euer Tom
Saisonübersicht
Trans Europe Footrace (4.488km)